Science Fiction Almanach 1981
nicht war, dann war es eben jemand anders, verdammt noch mal.
Nachdem wir einmal zu wühlen begannen, haben wir auch noch anderes gefunden. Kleinigkeiten, aber die haben alle geholfen. Bis vor acht Jahren hast du nicht existiert. Ich meine, deine Papiere sind alle in Ordnung, natürlich, aber sonst ist da nichts. In den Städten, in denen du angeblich gelebt hast, in der Schule, in die du angeblich gegangen bist – kein Mensch erinnert sich an dich.“
„Ich war ein unauffälliges Kind.“
„Vielleicht. Unsichtbar warst du auf jeden Fall. Dann ist noch eine wichtige Information aufgetaucht. Christina Fosse war nicht einfach eine Freundin der Familie. Sie war die i l legitime Tochter von Martin Kraus – sein einziges Kind, das Kind, das Katherine nie gehabt hat, aber als ihr eigenes au f gezogen hat. Damals, nach diesem mysteriösen Feuer, wu r de sie als tot gemeldet, aber sie war natürlich nicht tot. Sie ist nach Kanada geschafft worden, hat eine neue Identität bekommen und es dann schließlich geschafft, in den NAND hineinzukommen, um sich dort bereitzuhalten, bis wir sie brauchten. Es war wunderbar geplant. Fast hätte es g e klappt.“
„Reine Spekulation“, sagte ich.
„Bis dahin schon. Jetzt habe ich nur noch einen echten, unumstößlichen Beweis gebraucht. Vor zehn Minuten habe ich ihn bekommen.“
„Der Anruf?“
„Ja. Von meinem Freund Dolan. Ich habe ihn nach Tibet geschickt, um deine verantwortungslose Kusine zu finden. Sie hatte nie wirklich daran geglaubt, daß du tot bist, und sie hat natürlich sofort dein Bild identifiziert.“
„Ganz freiwillig?“
Er zuckte die Achseln. „Viel Überredung war nicht nötig. Sie haßt Spione genauso wie die Kinder eines Trinkers den Alkohol hassen.“
„Ich verstehe.“ Ich ging zum Fenster. Die Lichter der Stadt lagen, vom Smog verwischt, in einem einsamen Bogen um mich. Es war eine häßliche, gewalttätige Stadt, und ich hatte sie nie gemocht, aber nun erschien sie mir auf eine seltsam eindringliche Weise schön.
Ich wollte nicht sterben. Noch nicht. Ich hatte erst so kurz gelebt.
Und jetzt hob die Idee den Kopf und blinzelte mir zu. Sie war schon lange da, wie eine Schlange, an der Grenze me i nes Unterbewußtseins eingerollt.
Ich drehte mich wieder Taggard zu. „Du bringst mich a l so um, oder du übergibst mich der Polizei. So hast du das vorgehabt?“
„Genau so, meine Liebe. Ein anderer Weg ist nicht mö g lich.“
„Und wenn ich dir einen anderen Weg anbiete?“
„Für uns die Doppelagentin zu spielen?“ Er lächelte. „Niemals. Du bist von deiner Sache überzeugt. Nur der blindeste aller blinden Idioten würde dir auch nur eine S e kunde lang vertrauen.“
„Das habe ich nicht gemeint.“
„Was denn sonst?“
Jetzt war ich mit dem Lächeln dran. „Mach bei uns mit“, sagte ich sanft.
Zum ersten Mal, seit ich Jason Taggard kenne, erlebte ich endlich, wie ihn etwas erschütterte. Es durchzuckte ihn wie ein einziger Säbelhieb, der durch einen straffgespannten Draht schlug, und war dann wieder weg. Er lachte.
„Du unverschämter, teuflischer kleiner Dämon“, sagte er. „Welchen möglichen Grund könnte ich denn haben, um bei euch mitzumachen?“
„Warum klettern Männer auf Berge?“ fragte ich zurück.
Es dämmerte schon fast, als ich zu dem Besitz der Kraus’ zurückfuhr. Ich fuhr wie eine Wahnsinnige, von meinem Triumph berauscht, von den neuen Aussichten in meinem Leben geblendet. Das Risiko, oh, das kannte ich gut; so blind war ich nicht. Das Risiko aber war wie ein Gewitter am Horizont – man mußte es beobachten, brauchte es aber nicht zu fürchten.
Lady Katherine dachte da anders.
„Nein!“ fuhr sie mich an. „Nein, nein, nein! Das erlaube ich nicht!“
„Katherine, du hast fünf Jahre dafür gearbeitet, jemand in Taggards Team hineinzubringen. Das hast du jetzt geschafft, und dazu hast du noch Taggard selbst. Weißt du, was er für uns erreichen kann? Er kann unsere Leute ins Innenminist e rium hineinbringen, in die Regierung, in die Gerichte, in jeden Militärstützpunkt in Nordamerika! Kath, in fünf Ja h ren können wir an der Macht sein!“
„Oder in fünf Wochen tot sein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du verlangst von mir, daß ich mein Lebenswerk – meines und das von tausend anderen – und alles, wofür meine Fam i lie gestorben ist, diesem Straßenjungen aus Soho anve r traue? Nein, Christi, niemals.“
„Er könnte uns vernichten“, gab ich zu. „Das weiß ich. Er wird
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