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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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„Ich frage nach dem Wort hinter dem Wort. Es wird in Zahlen gesprochen. Was ist Zahl? Wer setzte Zahl? Ich denke. Was ist denken? – Elektrischer Strom ist da. Was ist elektrischer Strom? – Wer setzte oben und unten? Wer schuf die Wirkung der Maschine? Von wem geht das Maschenknüpfen aus, das Gesetz genannt wird?“
    Ohr spricht: „Er murmelt dasselbe wie der letzte Dichter.“
    Auge spricht: „Sein Auge hat denselben farbigen Glanz.“
    Hirn spricht: „Der Techniker für altes Denken hat recht. Sie sind die gleichen Narren, Maschinen mit verbogenem Gelenk, nicht zurechtzuklopfen. Es erübrigt sich, den letzten lebendigen Dichter aufzubewahren, da der Philosoph da ist.“
    Auge spricht: „Ich stimme zu. Der farbige Graue, der letzte lebendige Dichter, ist in den Zustand des Anorganischen überzuführen. Ein Schaubedürfnis liegt in bezug auf ihn nicht vor.“
    Ohr spricht: „Ich stimme zu. Abbalgen und Ausstopfen ist nicht erforderlich. Das mag bei dem letzten lebendigen Philosophen geschehen, bis es an der Zeit ist, auch das Schaugefängnis der letzten Lebendigen, verächtlich aus Liebe gezeugten Wesen und das der toten Worte zu vernichten, um das letzte Gedächtnis an Vorstufen des grauen Geschlechts auszulöschen.“
    Hirn spricht: „Wir stimmen überein. Ich füge hinzu, daß der letzte Dichter im Schaugefängnis aufzubewahren ist bis auf den Tag der großen Zusammenkunft aller Grauen dieses Sektors der Erdplanwirtschaft. Dort mögen diese beiden gleichen bunten Tiere der Vorzeit, Dichter und Philosoph, einen Schaukampf der bunten Worte ausfechten zwecks Befriedigung der Grauen. Alsdann möge entschieden werden, ob der letzte Dichter sofort anorganisch zu werden hat oder auf dem großen Tag der Zusammenkunft des Erddrittels zu zeigen ist.“
    Auge und Ohr sprachen: „Beschlossen. Der Beschluß wird ausgefertigt.“
    Der Techniker für alte Sprachen, Wärter Nr. 1, der letzte Philosoph und der letzte Dichter werden an ihre Orte zurückgesaugt.
    Der letzte Philosoph ist ohne Besinnung. Es ist aber nicht die Besinnungslosigkeit der Versenkung, ohne Sinn für die äußere Welt. Er ist zusammengeschlagen durch das Gespräch mit den drei gewaltigen Schreibern und durch die lange nicht empfundene Gewalt des Druckes durch die Röhren der Beförderung.
    Wärter Nr. 1 klopft und biegt ihn. Die Maschine kommt nicht in Gang. So wird der Maschinenklempner gerufen. Nach vielem Hämmern und Biegen schlägt der letzte lebendige Philosoph die Augen auf und sieht seinen Zwillingsbruder, den letzten lebenden Dichter, der ihn mit einem Ausdruck betrachtet, der nicht vom Tage ist, sondern ein Rückfall in jämmerliche, längst untergepflügte Vorzeiten des grauen Geschlechts.
    Der Menschenklempner geht und besteigt seinen laufenden Einwagen. Wärter Nr. 1 besieht sich die beiden Nummern, dann geht auch er und überläßt die Aufsicht dem Gangwärter für diese Abteilung des Schaugefängnisses.
    Der letzte Philosoph flüstert: „Ich fühle das Ende kommen. Ich werde den wahren Tod sterben und nicht die Überführung in das Anorganische schmecken. Ich werde in der alten Sprache auslöschen, in der noch Gedanke und Dichtung war!“
    Der letzte Dichter spricht: „Hörst du die Quelle noch rauschen, Philosoph, und den Pirol flöten? Wir sind die letzten, die ihre Sprache verstehen. Ist es nicht Gnade, daß du hier verwehen kannst, unter den letzten lebendigen Wesen, die aus Liebe gezeugt wurden?“
    Der letzte Philosoph flüstert: „Wir waren uns in den Zeiten der Vorzeit, als unsere Art noch blühte, immer Feind und stritten über unsere Grenzen. Aber darin sahen die Maschinenmenschen recht, weil sie außer uns stehen und uns nicht mehr begreifen: wir sind Brüder! Wir sind Erscheinungen des einen Lebens, zwei Strahlen aus dem gleichen Brunnen der dunklen Ursache, wenn wir auch anders funkeln. Wie schwinde ich hin!“
    Der letzte Dichter spricht: „Ich bete noch das Wort und bete das Bild an!“
    Der letzte Philosoph spricht: „Ich bete noch das Wort und bete den Begriff an!“
    Der letzte Dichter spricht: „Ich suche noch das Dunkel zu schmecken, aus dem das Wort kam gleich einer Farbe!“
    Der letzte Philosoph flüstert: „Ich suche noch das Dunkel zu schmecken, aus dem das Denken kommt gleich einer strengen Lilie. Aber ich welke. Ich falle ab …“
    Der letzte Dichter spricht: „Lebe wohl, Bruder! Du stirbst den guten Tod!“
    Der letzte Philosoph spricht: „Lebe wohl …“ Aber er vollendet nicht. Sein Gesicht

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