Science Fiction Almanach 1983
verkaufte Sticker, Wimpel und Plaketten; angefangen von dem nostalgischen A TOMKRAFT ? – NEIN DANKE ! bis hin zu den exzentrischen Entwürfen des Mailänder Design-Nihilisten Paolo Lombardi, die bereits auf der letzten Berlinale für einen deftigen Skandal gesorgt hatten.
* * * Was Alf noch nicht wußte, war der viel größere Skandal, der das anstehende Herbstfest des Bundeskanzlers in ein Fiasko verwandelte. Die ganze Medienrepublik geriet darob in Aufruhr, und schließlich wurde Lombardi mit einem unbefristeten Nachtmalverbot auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und der überseeischen Protektorate in den Grenzen von 1914 belegt. Die dramatischen politischen Verwicklungen, die dieses Verbot heraufbeschwor, sind selbst heutzutage noch nicht vollständig entwirrt. Dabei ist Lombardi bereits vor drei Jahren verstorben. Und im übrigen hat er nachts sowieso nie gemalt. * * *
Einige Redner hatten sich auf mitgebrachten Obstkisten aufgebaut und verbreiteten feurige Anklagen wider den Wahnsinn der Doppelverpackung von Kandiskonfekt und den Fortfall der Abschreibungsmöglichkeiten für Dritt wagen.
Ich hätte einen dieser neuartigen elektronischen Stimmverstärker mitnehmen sollen, dachte Alf unzufrieden. In diesem Lärm versteht mich ja kein Arsch.
Über die Nachrichtenwand an der futuristischen Fassade des Kauf + Spar -Supermarktes flimmerten mannsgroße Buchstaben.
* * * US-PRÄSIDENT SPOON BEFAHL EINSATZ DER NATIONALGARDE GEGEN DIE KAKERLAKEN-INVASION IM BUNDESSTAAT TEXAS
* * * EIN GROSSES SORTIMENT INSEKTENVER TILGUNGSMITTEL FINDEN SIE IN DER 3. ETAGE * * * LOHNRUNDE, 00: KANZLER EMPFIEHLT MASSHALTEN. DGB-CHEF GROBZ NANNTE KANZLERWORT MASSLOS. BDI-SPRECHER: DAS MASS IST VOLL. * * * GUTSCHLUCK-PILS – 1 KASTEN NUR DM 39,99 – SOLANGE DER VORRAT REICHT, IM GETRÄNKESHOP VON KAUF + SPAR * * * PLUTOSONDE MELDET SICH NICHT MEHR. NASA DEMENTIERTE MELDUNG ÜBER DIE SICHTUNG UNBEKANNTER FLUGOBJEKTE. * * *
Jemand rempelte Alf an und riß ihn aus der andachtsvollen Betrachtung der neuesten Schlagzeilen. „He“, sagte er wütend und maß die flittergekleidete junge Frau mit einem zurechtweisenden Blick. „Haben Sie keine Augen im Kopf? Man sollte Ihnen den Fußgängerschein entziehen.“
Die adrette Frau mit den geflochtenen Zöpfchen und dem entzückenden lila Schleifchen lächelte charmant. „Nur eine Umfrage.“ In den Händen hielt sie einen Programmierstift und einen tragbaren Terminal. „Welcher Meinung sind Sie; wie weiß wäscht Wasch weiß? Weiß, perl weiß oder waschweiß?“
„Was weiß ich“, erwiderte Alf irritiert. „Das ist mir doch schnurzpiepegal.“
„Phantastisch!“ strahlte die junge Frau. „Sie haben’s auf Anhieb gewußt und gewinnen ein Jahresabonnement Waschweiß. Kommen Sie doch am besten gleich mit in unser Studio, damit Sie sich Ihren großartigen Gewinn …“
Eine Schlepperin, erkannte Alf angewidert. Dabei sieht sie so knackig aus. Vermutlich mit Absicht. Wenn ich jetzt mitgehe, drehen die mir tausend Großpackungen zum Ratensonderpreis an und darüber hinaus vielleicht auch noch eine funkelnagelneue Waschmaschine.
„Scheren Sie sich zum Teufel“, sagte er barsch.
Die Schlepperin knipste ihr charmantes Lächeln aus.
„Arschloch.“
„Selber“, erwiderte Alf und wandte sich ab.
Erfreut stellte er fest, daß die Redner inzwischen aufgrund allgemeinen Desinteresses das Feld geräumt hatten. Das war seine Chance. In dieser Stadt dachte mit Sicherheit kein Aas an den Frieden und die ihn bedrohenden Atomwaffen. Da kam er ja gerade recht. Es war an der Zeit, die Öffentlichkeit wachzurütteln und ein
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