Science Fiction Almanach 1983
während er sich in der stillen Wohnung umsah und mit Schmerzen im Herzen das zerwühlte Bett betrachtete. Erst jetzt bemerkte er, daß Erika ihre geliebten fluoreszierenden Feinstrumpfhosen vergessen hatte.
* * * Wodurch auch wieder Professor Onnedecker ins Spiel kommt, der seinen Lodenmantel in Liu Changs geschmackvoll möbliertem Appartement ablegte und mit dem klemmenden Reißverschluß seiner Hose kämpfte. Die Asiatin – Geburtsort Passau – legte ihren knappen Rock sorgfältig zusammen und bot Onnedecker ihr faltenloses Hinterteil dar. „Scharf … bleib so“, röchelte der Genetiker und zerrte wütend an dem Reißverschluß, bis er endlich aufklaffte, und entledigte sich hastig seiner störenden Hose. Zum Vorschein kamen dürre, bleiche, behaarte Beine, grüne Sockenhalter und eine knielange Baumwollunterhose. Zufällig drehte Liu Chang in diesem Moment den ondulierten Kopf. „Jesses, igittigitt!“ entfuhr es ihr. „Was haste denn da? “ Sie meinte KMK-37. „Das sieht ja aus wie eine Knolle!“ Es sah tatsächlich aus wie eine Knolle. * * *
Mittlerweile war es zehn Uhr geworden.
Angedenk seines Kreuzzuges gegen die atomare Gefahr – und ihrer skrupellosen Hintermänner in der Rüstungsindustrie und auf den Couches der Psychoanalytiker – verzichtete Alf darauf, sich auch an diesem Tage wieder die Hacken abzulaufen und seine Lebensgeschichte vor den Personalchefs auszubreiten, die ausnahmslos und penetrant nach Man No. 1 dufteten. * * * Die Einstellungsfragebögen besitzen heute eine durchschnittliche Stärke von elf Millimetern und sind computergerecht gestylt. Schon mancher verantwortungslose Lügenbold wurde von dem republikweiten Datenverbund aussortiert und an die Zahlstellen des Arbeitsamtes verwiesen. Bereits Mundgeruch kann ein Ablehnungskriterium sein. Perversitäten hingegen werden geduldet. Warum, weiß kein Mensch. * * *
Alf nahm ein karges Frühstück aus Knäckebrot und Lachsschinken ein und spülte mit einer Tasse Ersatzkaffee seinen täglichen Upper hinunter. Schließlich strich er seine smogresistente Kunststoffjacke glatt und verließ das Haus.
Als er die menschenüberlaufenen Bürgersteige und die von den Cittax verstopften Straßen sah, da fragte er sich nervös: Wer in dieser Stadt arbeitet eigentlich noch? Warum sitzen diese Leute nicht in ihren Büros oder schrauben Einzelteile an den Fließbändern der Fabriken zusammen? Das ganze System der Arbeitslosenversicherung wird noch zusammenbrechen und meine sämtlichen finanziellen Kalkulationen über den Haufen werfen. Feine Aussichten.
Mit federnden Schritten begab er sich hinunter in den schwülen Talkessel, in die geschäftige City, und wählte als erstes Ziel den Platz der Kultur, wo jeder Rederecht besaß, bis man ihn abholte.
Interessiert sah er sich um, über die Blumenkübel voller Geranien und Narzissen hinweg, und erspähte in einiger Entfernung einen von V-Männern und gewerbsmäßigen Denunzianten umlagerten Infostand der Radikaldemokratischen Partei. Dicht daneben verteilte ein lächelnder, bebrillter Mittvierziger kostenlose Werbeexemplare des Erwachet!, allerdings stieß er bei den verkaterten Pennern und Fixern am Brunnen nur auf wenig Gegenliebe. Weiter rechts spielte eine alternative Songgruppe Das Lied vom nuklearen Profitier und war von einer Anzahl betagter Frauen umstellt, die ständig zwischen ihren Pfefferminzlikören auf den Tischen des nahen Straßenbistros und der Songgruppe hin und her wanderten. Ein Mann in einem geleasten Nadelstreifenanzug
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