Science Fiction Almanach 1983
herum. Als Erika den Trennungsentschluß faßte, hatte Onnedecker bereits das Foyer mit seinem absonderlichen Duft durchschritten und stiefelte die hölzerne Treppe hinauf, die zu den Privatappartements der Damen – und Herren – führte. Begleitet wurde der genetische Professor von einer spitzbrüstigen Asiatin namens Liu Chang, die in Wirklichkeit allerdings Annegret Saperlotzki hieß und ihr fernöstliches Aussehen in der chirukosmetischen Spezialklinik eines Exil-Ungarn erworben hatte. Liu Chang langte Onnedecker soeben in die Hose, nicht ahnend, daß sich weiter unten die ungewöhnliche Spore KMK-37 unermüdlich teilte. „Wo steckt denn Didi?“ fragte Onnedecker und tätschelte geistesabwesend Liu Changs silikongestraffte Brüste. „Ein Teil von ihm vermutlich in irgendeinem Arsch“, versetzte Chang verdrossen, da ihre forschenden Finger außer schlaffem Fleisch nichts Bemerkenswertes vorgefunden hatten. * * *
„Außerdem bist du meinen sexuellen Bedürfnissen sowieso nicht mehr gewachsen“, kolportierte Erika in diesem Augenblick das Fazit einer schlüpfrigen Glosse in der August-Ausgabe des Rosa Blattes. „Und das im wahrsten Sinne des Wortes.“
Alf ignorierte ihren Sarkasmus.
Schließlich wußte Erika nichts von Linda Battsch, der Aushilfsbüfettdame von Kaisers Cafe, in dem er seine freien Nachmittage zu vertrödeln pflegte; bei einem starken Mokka und der Lektüre des Radikaldemokraten verdaute er stets den frühmorgendlichen Frust, den ihm seine regelmäßig erfolglos verlaufende Stellensuche bescherte. Linda war Mitglied der besonders in Ruhr Stadt rührig tätigen europäischen Sektion der Einzig Wahren Kirche Unseres Herrn Jesu und würzte ihre Bekehrungsversuche mit ihrem allzeit bereiten Schoß. * * * Inzwischen hat das Gedränge hinter dem Büfett bereits die Aufmerksamkeit des Sittendezernates erregt und Videopastor Memmeling zu dem vielbeachteten Hirtenwort vom ‚Sündenpfuhl Ruhrstadt’ angestiftet. Linda soll sich jetzt in Niederkalifornien aufhalten, in unmittelbarer Nähe von Bischof Agnes Pain, und unter den Klatschkolumnisten an der Westküste wird von Eifersuchtsdramen und theologischen Disputen gemunkelt. * * *
Für Alf waren jene Ereignisse allerdings noch graue Zukunft.
Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis Erika ihre Koffer gepackt und unauffällig das gemeinsame Scheckheft geklaut hatte – nicht wissend, daß Alf das Konto schon seit Monaten hoffnungslos überzog –, und nach einem letzten scheuen Kuß verließ sie die totalsanierte Hinterhofwohnung auf dem Ruhrstädter Holunderberg, der vor Jahresfrist nur knapp einem Kahlschlagkonzept örtlicher Spekulanten entronnen war. Sowohl Alf als auch Erika hatten sich damals der Bewegung Bürger gegen Baumafia angeschlossen und mit den übrigen Holunderberg-Bewohnern dem Wobau- Chef Nowossny und dem Ruhrstädter Oberstadtdirektor Pfeife gezeigt, was eine Harke ist. * * * Doch dies ist Vergangenheit. Um auf Erika zurückzukommen, so sind die Nachrichten über ihr weiteres Schicksal dürftig. Glaubwürdige Beobachter versichern aber, daß sie weder freiberufliche Pornopostkartenverlegerin noch Mätresse des ins Freie Österreich entflohenen Pforzheimer Tycoons E. F. Langedanz geworden ist. Später meinte Alf, sie auf einem Wohltätigkeitsball der Heilsarmee gesehen zu haben, doch zu diesem Zeitpunkt war er schon so betrunken, daß er halluzinierte. So wird das Rätsel wohl niemals gelöst werden. * * *
Im Kampf steht der Mann allein, dachte Alf melancholisch,
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