Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
nur …“
Ich bedaure nur, daß ich für mein Weihnachtsgeschenk nur ein Leben geben kann. Wer könnte sich solche Mühe gegeben haben, bloß um ihm einen Possen zu spielen? Lew Knight? Selbst Lew mußte sich in seinem Ketzerschädel noch eine Spur von Achtung für die Institution des Christfestes bewahrt haben. Und außerdem besaß Lew gar nicht den Verstand, ganz zu schweigen von der Geduld, die man für etwas so Kompliziertes brauchte.
Tina? Tina hatte das Talent für komplexe Dinge. Aber so reichlich Tina auch mit allen physischen Attributen ausgestattet war – einen Sinn für Humor hatte sie nicht.
Sam holte den ledernen Umschlag heraus und strich liebkosend darüber. Tinas Parfüm schien noch daran zu hängen und ihm zu helfen, die Welt wieder im richtigen Licht zu sehen.
Die metallische Weihnachtskarte blitzte ihm vom Boden entgegen. Vielleicht stand der Name des Absenders auf der Rückseite? Er hob sie auf und drehte sie um.
Nichts. Nur eine glatte Goldfläche. Daß es Gold war, wußte er ganz genau; sein Vater war Juwelier gewesen. Der Wert der Karte sprach dagegen, daß das Ganze ein Witz war. Außerdem – was sollte es überhaupt?
„Frohe Weihnachten 2353.“ Wo mochte die Menschheit in vierhundert Jahren sein? Auf der Reise zu den Sternen oder noch weiter? Und kleine Mannikins, die die Arbeit von Maschinen und Robotern taten? Kinder, die …
Vielleicht war eine andere Karte oder ein Brief in der Kiste? Weber bückte sich erneut, um nachzusehen. Eine graue Dose mit eingeätzter Schrift fiel ihm auf: dehydrierte Neuronen, nur für den Menschenbau.
Er fuhr zurück und rief: „Schließen!“
Das Ding schmolz wieder zu. Weber seufzte erleichtert und entschied, zu Bett zu gehen.
Während er sich auszog, ärgerte er sich, daß er den Boten nicht nach dem Namen seiner Firma gefragt hatte; die hätte ihm vielleicht helfen können, die Herkunft dieses widerlichen Geschenks festzustellen.
„Aber dann“, wiederholte er, „kommt es ja nicht auf das Geschenk an – sondern auf das Prinzip.“
Am nächsten Morgen, als Lew Knight mit seinem üblichen „Guten Morgen, Euer Ehren!“ hereingefegt kam, wartete Sam auf die ersten Sticheleien. Lew war nicht der Mann, der lange an sich halten konnte. Aber Lew vergrub sein Gesicht in die New York Times und ließ es den ganzen Morgen dort. Die anderen fünf jungen Anwälte in dem Gemeinschaftsbüro schienen entweder zu gelangweilt oder zu beschäftigt, um Build-A-Man-Baukästen auf dem Gewissen zu haben. Niemand grinste versteckt, niemand beobachtete ihn von der Seite, niemand stellte Fragen.
Tina erschien um zehn Uhr. Sie sah aus wie ein Pin-upMädchen, das aus Versehen die Kleider angelassen hat.
„Guten Morgen, Euer Ehren!“ sagte sie.
Die sieben Juristen strahlten, feixten, blickten mürrisch oder nickten einfach, je nach Laune. Lew Knight blickte mürrisch drein. Sam Weber strahlte.
Tina nahm die Blicke in sich auf und analysierte die Stimmung, während sie sich durch das Haar fuhr. Sie kam offenbar zu dem Schluß, daß sie sich unbedingt gegen Lew Knights Schreibtisch lehnen mußte, um ihn zu fragen, was er heute morgen für sie zu tun hätte.
Sam machte sich wütend über sein Gesetzbuch her. Theoretisch war Tina die Angestellte von allen sieben, und zwar gleichzeitig Sekretärin, Telefonistin und Empfangsdame. In Wirklichkeit bestanden ihre Pflichten in nicht viel mehr als dem Schreiben und Adressieren von zwei Umschlägen und gelegentlich einem Brief. Einmal die Woche mochte es einen kleinen Schriftsatz geben, doch der fand selten Gnade vor den Augen eines Richters. Tina besaß deshalb eine ziemlich umfangreiche Sammlung von Modezeitschriften in der ersten Schublade ihres Schreibtisches und ein komplettes Kosmetiklabor in den beiden anderen. Ein Drittel ihres Arbeitstages verbrachte sie auf der Damentoilette, wo sie mit den anderen Sekretärinnen Preise und Bezugsquellen von Strümpfen austauschte; die beiden anderen Drittel widmete sie hingebungsvoll demjenigen ihrer Arbeitgeber, der ihr bei ihrer Ankunft am männlichsten erschien. Ihr Gehalt war klein, aber sie führte ein ausgefülltes Leben.
Vor dem Mittagessen erschien sie mit der Morgenpost. „Heute früh haben wir wohl nicht viel zu tun, Euer Ehren …“, begann sie. „Da irren Sie, Miß Hill“, erklärte er, bemüht, dabei etwas gereizt zu wirken. „Ich habe schon gewartet, bis Sie Ihre Konversation beendet hatten, damit wir uns ein wenig dem Geschäft widmen können.“ Sie war so
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