Science Fiction Jahrbuch 1983
bewundern, sondern führte ihn geradewegs in ihr Schlafzimmer, das sich seltsamerweise genau unter seinem befand.
Auf dem Bett lagen Bücher verstreut. Sie sammelte sie auf und legte sie auf den Nachttisch, dann drehte sie sich um und berührte den Lichtschalter. Ein Dimmer. Die anfängliche Helligkeit nahm ab und wurde zu einem angenehmen Halbdunkel. Kris drehte sich lächelnd zu ihm um. „Nackte Angst macht mich scharf“, sagte sie. „Worauf wartest du noch?“
„Oh“, sagte Jerry. Er grinste. „Sicher doch!“ Es wurde ein Wettrennen daraus, wer sich zuerst ausgezogen hatte, und dann wälzten sie sich lachend auf dem Bett.
Danach fühlte sich Jerry so gut wie schon seit Jahren nicht mehr – ein Mädchen wie Kris und eine Geschichte wie die mit den Nadelmännern. Die Dinge liefen gut für ihn. Als sie sich an ihn schmiegte, sagte er es ihr und streichelte ihr weiches, langes Haar.
„Ummmm“, machte sie und hob den Kopf. „Die Nadelmänner. Mußtest du sie wieder erwähnen? Ich hatte es gerade geschafft, sie für einen Augenblick zu vergessen.“ Sie lachte. „Es scheint mir nun so albern. Willst du wirklich weitermachen?“
„Natürlich“, sagte er verletzt.
Sie seufzte. „Viel Glück“, sagte sie. Sie küßte zärtlich seine Brust, und ihre Hand begann weiter unten mit interessanteren Dingen. „Kannst du die ganze Nacht bleiben, oder werden deine Freunde die Polizei rufen? Vielleicht solltest du hochgehen und ihnen sagen, wo du bist. Wir wollen ja nicht, daß sie glauben, die Nadelmänner hätten dich geholt.“ Sie kicherte.
„Sie wissen nichts über die Nadelmänner, und es ist ihnen ziemlich egal, wo ich meine Nächte verbringe. Wir stehen uns nicht so nahe. Du weißt, wie es manchmal ist.“ Er lächelte. „Ich bleibe. Himmel, ich würde sogar einziehen, wenn ich es dürfte.“
„Darüber muß ich noch nachdenken“, sagte Kris. Sie setzte sich plötzlich auf und kletterte aus dem Bett. „Entschuldige mich“, sagte sie.
„He, wo willst du hin?“ fragte Jerry.
„Ich muß mal für kleine Mädchen“, sagte sie. „Keine Panik, ich komme schon zurück.“ Sie ging zur Tür, nackt. In dem schwachen Dämmerlicht sah sie herrlich aus. Ihr langes Haar wogte hinter ihr, als sie lief.
Sie war lange weg. Jerry wurde ungeduldig. Einen Augenblick lang hatte er sogar Angst. Er glaubte das Öffnen und Schließen einer Tür zu hören, und er hatte eine kurze Vision: Ein Nadelmann kroch mit seiner langen, scharfen Nadel in der Hand die Hintertreppe hoch, brach die Tür auf und schlich sich langsam und lautlos in die Halle hinunter. Er konnte jetzt, bleich grinsend, mit der vergifteten Nadel dort draußen sein und darauf warten, bis Kris wieder aus dem Badezimmer kam. Oder vielleicht hatte er sie schon erwischt, vielleicht lag sie schon zu seinen Füßen, und er war gerade im Begriff, die Tür zu öffnen, um auch zu Jerry zu kommen.
„O Gott“, sagte Jerry. Es ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er wälzte sich im Bett herum, sah Kris’ Bücher auf dem Nachttisch gestapelt und nahm sich, einer Eingebung folgend, eines davon. Es war schwierig, in diesem Halbdunkel Buchstaben zu erkennen, aber falls es seine Gedanken von den Nadelmännern ablenkte, war es eine Überanstrengung der Augen schon wert.
Er überflog einige Seiten, runzelte die Stirn, blätterte um und starrte fassungslos darauf. „Oh“, sagte er leicht wimmernd. „Oh nein. Nein.“
In diesem Moment ging die Türe auf. Sie standen alle lächelnd da, Kris und ihre Mitbewohnerinnen. Kris hatte die Nadel. „Du hast mich nie nach meinem Studium gefragt, Jerry“, sagte sie. „Ich studiere Medizin. Im vierten Semester. Du würdest überrascht sein, wenn du wüßtest, wie teuer das alles ist.“ Sie zuckte die Achseln und kam auf ihn
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