Science Fiction Jahrbuch 1983
einer medizinischen Fakultät zum Experimentieren übergeben haben?“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Sie sehen gar nicht wie jemand aus, der den Verstand verliert.“
Jerry errötete. „Es ist nicht nur Chollie“, betonte er. „Sie haben auch Gumbo Granny geholt. Sie mußten es tun! Sie wußte alles über sie, nicht wahr? Und es geht noch weiter. Hören Sie mir zu.“ Er erzählte ihr alles über den Typen mit der Spritze und dem schwarzen Javelin.
Kris hörte ihm höflich zu, nippte an ihrem Bier und knabberte Krabben, aber als er geendet hatte, sah sie nicht allzu überzeugt aus. „Eine Sportjacke mit Lederflicken, sagten Sie? Ich glaube, ich habe ihn auch in der Seitenstraße gesehen. Das Auto habe ich auf jeden Fall gesehen. Aber das heißt noch gar nichts. Vielleicht wohnt er in einem der anderen Gebäude hier in der Gegend. Was soll daran so geheimnisvoll sein? Ein bißchen weiter dort hinten steht ein weißer Mustang. Er gehört einer meiner Mitbewohnerinnen.“
Sie rümpfte die Nase. „Und die Spritze – vielleicht ist es ein Junkie. Oder ein Arzt. Ich weiß es nicht. Aber beides ist wahrscheinlicher, als daß es sich um einen dieser Nadelmänner handelt, meinen Sie nicht auch?“
„Selbst wenn das zutrifft“, warf Jerry etwas verwirrt ein, „was ist dann mit der Gumbo Granny?“
„Ah“, sagte Kris lächelnd, „darüber weiß ich nun Bescheid. Ich habe Sheila gefragt, nachdem wir uns an den Briefkästen getroffen haben. Die alte Dame hatte einen Herzanfall. Am Tag nach der Aufregung mit dem Monroe-Jungen. Sie saß am nächsten Morgen da, schaukelte und hatte eine Herzattacke, Jerry. Das ist alles, nur ein Herzanfall. Jemand fand sie und rief ein Krankenhaus an. Dann kam der Krankenwagen und nahm sie mit. Natürlich dachten die nicht daran, den Schaukelstuhl wegzustellen. Also blieb er dort tagelang stehen.“
„Aber jetzt ist er weg.“
Kris lächelte. „Sie kennen unsere Nachbarschaft genauso gut wie ich. Wahrscheinlich wurde er irgendwann gestohlen. Stellen Sie einmal ein wirklich gutes Möbelstück dorthin, und warten Sie ab, wie lange es dort bleibt.“
Jerry lehnte sich zurück und schloß sein Notizbuch. Nun war er völlig verwirrt. Kris zeigte viel Verständnis, und seine Geschichte löste sich langsam in ihre Bestandteile auf. „In welchem Krankenhaus liegt sie denn?“ fragte er.
„Woher soll ich das wissen“, antwortete Kris.
„Gut“, sagte Jerry, „wahrscheinlich haben Sie recht. Ich werde trotzdem dranbleiben. Die Story könnte mich nach vorne bringen.“ Er lachte auf. „Ich brauche ja nur alle Krankenhäuser anzurufen, bis ich sie finde.“
„Und dort fragen Sie dann nach der Gumbo Granny?“ fragte Kris. Sie lachte. „Die Schwestern werden sich freuen. Werden Sie sich nicht wie ein Trottel vorkommen, wenn Sie sie finden?“
„Ja“, gestand Jerry bekümmert. Er trank von seinem Bier. Der Schaum war weg, es war schal geworden, während er gesprochen hatte. „Trotzdem, die Sache wäre es wert. Ich meine, was wäre, wenn ich sie in keinem Krankenhaus fände? Dann hätte ich vielleicht doch recht.“ Er kratzte sich am Kopf. „Ihre Freundin sah einen Krankenwagen, der die alte Frau mitnahm, stimmt’s? Die sagten, sie hätte einen Herzanfall?“
„Richtig.“
„Okay, was wäre, wenn einer dieser Nadelmänner hereinkam und ihr eine Injektion gegeben hat. Sie war viel zu alt, um sich zu wehren. Sie würde so umfallen.“ Er schnippte mit den Fingern. „Und dann – was wäre normaler, als mit einem Krankenwagen vorzufahren und sie am hellichten Tag wegzubringen? Sie hatte keine Verwandte, im Gegensatz zu dem armen Chollie. Wer weiß? Wenn die Nadelmänner Medizinstudenten sind, arbeitet die Ambulanz vielleicht Hand in Hand mit ihnen, nicht wahr?
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