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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Ein langer Sandstrand, an beiden Seiten von
     felsigen Landzungen begrenzt. Sie machte ein paar Schritte, kniff die Augen zusammen und ließ den Blick über den verlassenen
     Strand schweifen. Nichts. Sie wollte Reillys Namen rufen, doch ihre brennende Kehle ließ es nicht zu. Eine Welle von Übelkeit
     und Schwindel überfiel sie. Tess wankte, sank auf die Knie, am Ende ihrer Kraft. Sie wollte weinen, aber es kamen keine Tränen.
    Dann kippte sie bewusstlos in den Sand.
     
    Als sie wieder aufwachte, war alles ganz anders. Zum einen herrschte Stille. Kein heulender Wind. Keine hämmernde Brandung.
     Sie konnte zwar von fern den Regen hören, doch um sie herum war alles wunderbar ruhig. Und sie lag weich. Keine Holzplatte,
     kein Sand unter dem Kopf. Das hier war ein echtes Bett.
    Sie schluckte und spürte, dass es auch ihrem Hals besser ging. Als sie sich umsah, entdeckte sie eine Infusionsflasche, die
     an einem kleinen Chromständer neben dem Bett hing und Flüssigkeit in ihren Arm leitete. Sie lag in einem kleinen, schlicht
     möblierten Zimmer. Neben ihrem Bett stand ein Stuhl, daneben ein Tischchen mit einer Wasserkaraffe und einem Glas auf einer
     fransigen weißen Spitzendecke. Dieweiß getünchten Wände waren schmucklos bis auf das kleine Holzkreuz neben ihrem Bett.
    Sie wollte sich aufsetzen, wobei ihr wieder schwindlig wurde. Das Bett knarrte. Schritte, unverständliche Worte, eine weibliche
     Stimme, dann tauchte eine Frau auf und lächelte sie besorgt an. Sie war groß, etwa Ende vierzig, mit olivbrauner Haut und
     dunklen Locken, um die sie ein weißes Kopftuch gebunden hatte. Ihre Augen strahlten freundlich und warm.
    «Doxa to Theo. Pos esthaneste?»
    Bevor Tess etwas sagen konnte, eilte ein Mann ins Zimmer und sah sie aufmunternd an. Er trug eine Metallbrille, hatte kupferbraune
     Haut und dunkles, nach hinten gekämmtes Haar, das wie gelackt glänzte. Er stieß einige Worte in derselben fremden Sprache
     hervor, lächelte Tess an und stellte eine Frage, die sie nicht verstand.
    «Tut mir Leid», murmelte sie und räusperte sich. «Ich verstehe Sie nicht   …»
    Der Mann warf seiner Begleiterin einen ratlosen Blick zu und wandte sich wieder an Tess. «Entschuldigung, ich dachte, Sie
     wären – sind Sie Amerikanerin?», erkundigte er sich auf Englisch mit starkem Akzent und reichte ihr das Wasserglas.
    Tess trank einen Schluck und nickte.
    «Was ist passiert?»
    Sie suchte nach Worten. «Wir waren auf einem Schiff, dann kam ein Sturm und   …» Sie verstummte. Allmählich lichtete sich der Nebel in ihrem Kopf, Fragen tauchten auf. «Wo bin ich? Wie bin ich hergekommen?»
    Der Mann beugte sich vor und befühlte ihre Stirn. «Ich heiße Costa Mavromaras und bin der Arzt hier im Dorf. Dasist meine Frau Eleni. Fischer haben Sie am Strand von Marathounda gefunden und hergebracht.»
    Die Namen und der Akzent verwirrten sie. «Wo bitte ist   …
hier

    Mavromaras lächelte. «Sie sind in unserem Haus in Gialos.»
    Die Verwirrung war ihr wohl deutlich anzumerken, da er die Stirn runzelte. «Gialos auf Symi», erklärte er dann. «Was dachten
     Sie denn, wo Sie sind?»
    Alles verschwamm.
    Symi?
    Was hatte sie auf einer griechischen Insel zu suchen? Fragen stürmten auf sie ein. Sie wusste, dass Symi zur Inselgruppe des
     Dodekanes gehörte, die nahe der türkischen Küste lag, aber es gab so viele Fragen. Welchen Tag hatten sie, wie lange war es
     her, dass der Sturm die
Savarona
getroffen hatte, wie lange war sie im Meer getrieben – doch das alles konnte warten. Nur eines musste sie um jeden Preis erfahren.
    «War ein Mann bei mir?», fragte sie mit zitternder Stimme. «Haben die Fischer noch jemanden   …?» Sie hielt inne, weil der Arzt plötzlich distanziert wirkte. Ihre Sorge wuchs, als er seine Frau ansah und Tess dann zunickte.
     Die Traurigkeit in seinen Augen traf sie ins Mark.
    «Ja, man hat am selben Strand auch einen Mann gefunden, aber sein Zustand ist leider bedeutend ernster als der Ihre.»
    Schon schwang Tess die Beine über die Bettkante.
    «Ich muss zu ihm», drängte sie. «Bitte.»
     
    Tess schaffte es kaum durch den Flur bis ins Nebenzimmer, doch als sie Reilly sah, wäre sie fast zusammengebrochen. Seinen
     Kopf hatte man säuberlich bandagiert, es war keinBlut zu sehen. Das linke Auge und die Wange waren jedoch schwarz und gelb verfärbt und beide Augenlider zugeschwollen. Seine
     Lippen wirkten trocken und rissig. Auch in seinem Arm steckte ein Infusionsschlauch, dazu

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