Scriptum
einer engenSchlucht legte er eine Verschnaufpause ein und entdeckte im Stein einige Risse, deren Form ihn an das Kreuz der Templer erinnerte.
Ein gutes Omen. Vielleicht würde Hugues in diesem stillen, entlegenen Tal doch seinen Frieden finden.
In der Stadt fragte Martin sich nach dem Heilkundigen des Ortes durch und klopfte bald an die Tür des stattlichen Mannes,
dessen Augen in der beißenden Kälte tränten. Der Ritter tischte ihm das Märchen auf, das er sich während des Marsches überlegt
hatte: Er und sein Gefährte seien unterwegs ins Heilige Land.
«Er ist krank und braucht Eure Hilfe.»
Der Ältere sah ihn argwöhnisch an. Zweifellos hielt er Martin für einen Vagabunden. «Könnt Ihr zahlen?», knurrte er.
«Wir haben nicht viel, aber für Essen und einige Tage Unterkunft müsste es reichen.»
«Na schön.» Der Mann taute auf. «Ihr seht aus, als wärt auch Ihr kurz vor dem Zusammenbruch. Esst etwas mit mir und sagt mir
dann, wo Ihr Euren Freund gelassen habt. Ich hole ein paar Männer, die ihn herbringen können.»
Die plötzliche Herzlichkeit wärmte Martin, und er betrat den Raum mit der niedrigen Decke, wo man ihm Brot und Käse anbot.
Er war tatsächlich am Ende seiner Kräfte. Zwischen gierigen Bissen beschrieb er den Berggrat, auf dem er Hugues zurückgelassen
hatte. Der stämmige Mann verließ den Raum.
Nachdem er seinen Teller geleert hatte, wurde Martin wieder unruhig. Eine vage Ahnung überkam ihn, und er spähte vorsichtig
aus dem Fenster. Der Arzt sprach auf der schlammigen Straße mit zwei Männern und zeigte auf das Haus. Martin zog sich vom
Fenster zurück. Als er wieder hinsah,war der Arzt verschwunden, doch die beiden Männer kamen auf ihn zu.
Seine Muskeln spannten sich an. Das alles konnte verschiedene Gründe haben, doch er fürchtete das Schlimmste. Er riskierte
einen letzten Blick und sah, wie einer der Männer einen langen Dolch zog.
Rasch suchte er nach einer Waffe, als schon jemand an der Hintertür flüsterte. Lautlos schlich er hin und horchte. Der eiserne
Verschluss hob sich und schwang zur Wand, bevor die Tür leise knarrend aufging.
Als der erste Mann hereinspähte, packte Martin ihn, schlug ihm den Dolch aus der Hand und schleuderte ihn gegen die Mauer.
Er trat gegen die Tür, die den zweiten Eindringling mit voller Wucht traf. Blitzschnell griff er nach dem Dolch, sprang den
Mann an und stieß ihm die Klinge in die Seite. Er riss die Waffe heraus, der Angreifer sank leblos zu Boden.
Dann stürzte Martin sich auf den ersten, der gerade aufstehen wollte, stieß ihn um und rammte ihm den Dolch in den Rücken.
Schnell raffte er herumliegende Lebensmittel an sich und verschnürte sie zu einem Bündel. Er schlüpfte durch die Hintertür
und schlug einen Bogen um die Stadt, bis er den Weg fand, der zurück in die Berge führte.
Es dauerte nicht lange, dann waren sie hinter ihm her. Vier oder fünf Männer, deren zornige Stimmen durch den Wald hallten.
Schneeflocken schwebten vom wolkengrauen Himmel. Martin erreichte den Felsen, an dem er vorhin gerastet hatte. Seine Augen
glitten über die kreuzförmigen Risse, dann fiel ihm ein, was er vor so vielen Monaten zu seinen Waffengefährtengesagt hatte.
Aimards Brief muss immer und überall geschützt werden.
Diesen Ort würde er nie vergessen.
Mit dem Dolch löste er einige faustgroße Steine am Fuß des Felsens, schob den Brief in das Loch und verschloss es wieder.
Mit der Stiefelferse trat er die Steine fest. Danach setzte er den Aufstieg fort.
Bald verklangen die Rufe der Männer im betäubenden Donnern des Wasserfalls. Am Lagerplatz war keine Spur von Hugues zu entdecken.
Seine Verfolger kamen in Sicht. Es waren fünf. Als Letzter ging der Arzt, der ihn verraten hatte.
Martin griff nach seinem Schwert und stieg weiter zum Rand des Wasserfalls. Dort oben wollte er sich dem Kampf stellen.
Der erste Mann, der jünger und stärker als die Übrigen zu sein schien, hatte eine Heugabel mit langen Zinken dabei. Er schoss
vor, Martin lehnte sich zurück und holte mit dem Schwert aus. Die Klinge teilte den Stiel der Heugabel wie einen Holzspan.
Der Mann hatte so viel Schwung, dass er nach vorn fiel. Martin rammte ihm die Schulter in den Magen, riss ihn hoch und warf
ihn über den Rand. Er verschwand im schäumenden Abgrund unter dem Wasserfall.
Sein Schrei hallte Martin noch im Ohr, als die nächsten beiden Angreifer herankamen. Sie wirkten älter und vorsichtiger und
waren besser
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