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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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stürzte wie eine hohe Klippe auf
     sie herab und verschlang sie beide, als wären sie welkes Laub.

KAPITEL 79
    Toskana   – Januar 1293
    Martin de Carmaux kauerte neben dem kleinen Feuer, den Rücken dem bitterkalten Wind zugewandt. Dessen Heulen vermischte sich
     mit dem Rauschen eines Wasserfalls, der in die dunklen Tiefen einer nahe gelegenen Schlucht stürzte. Neben ihm stöhnte Hugues
     leise im Schlaf. Er hatte sich in die Lumpen eines Mantels gehüllt, den sie vor vielen Monaten einem der gefallenen Mameluken
     bei Bir el Safsaf abgenommen hatten.
    Nach dem Untergang der
Faucon du Temple
hatten sie gemeinsam eine lange Reise zurückgelegt, auf der Martin große Zuneigung zu dem alten Seemann entwickelt hatte.
     Von Aimard de Villiers abgesehen, war er nie einem treueren und entschlosseneren Menschen begegnet, und er schätzte die stoische
     Ruhe, mit der sein Gefährte jede Widrigkeit ertrug. Auf der beschwerlichen Reise war der Seemann mehrfach bei Kämpfen und
     Unfällen verletzt worden und legte dennoch Meile um Meile zurück, ohne sich zu beklagen.
    Zumindest bis vor wenigen Tagen. Der brutale Winter hielt sie in seinem tödlichen Griff, die eisigen Böen gingen nicht spurlos
     an dem geschwächten Mann vorüber.
    In den ersten Wochen, nachdem sie Bir el Safsaf verlassen hatten, hielt Martin die vier Überlebenden zusammen. Solange sie
     sich in Reichweite der muslimischen Feinde befanden, baute er auf ihre gemeinsame Stärke. Nachdem sie das Territorium der
     Mameluken verlassen hatten, entschied er, es sei an der Zeit, Aimards Plan umzusetzen und sich aufzuteilen. Vor ihnen lauerten
     zahllose Gefahren, unter anderem in Gestalt der Wegelagerer, die sich in den Vorhügeln der Gebirgskette Stara Planina herumtrieben.
     Und sie waren noch über tausend Meilen von befreundeten Staaten entfernt.
    Sein Plan war einfach. Sie würden paarweise mit einem Abstand von einem halben Tag einer vorbestimmten Route folgen. So konnte
     die Vorhut aus Martin und Hugues die anderen vor Gefahren warnen, während ihr die zweite Gruppe im Notfall zur Hilfe eilen
     konnte. «Wir dürfen niemals und unter gar keinen Umständen die Sicherheit des Briefes riskieren, selbst wenn es bedeutet,
     einen Gefährten seinem Schicksal zu überlassen.»
    Niemand hatte protestiert.
    Allerdings hatte Martin die vor ihnen liegenden Gegebenheiten nicht berücksichtigt. Berge und Abgründe, reißende Flüsse und
     dichte Wälder hinderten sie am Fortkommen. Oft hatten sie vom geplanten Weg abweichen müssen. Nur einmal, vor Monaten, hatten
     sie Spuren ihrer Kameraden entdeckt.
    Unterwegs waren die Pferde gestorben oder gegen Essen eingetauscht worden, sodass sie seit Wochen zu Fuß gehen mussten. Wenn
     Martin nachts erschöpft am Lagerfeuer ruhte und dennoch keinen Schlaf fand, fragte er sich oft, ob die anderen mehr Glück
     gehabt hatten, ob sie womöglich einenleichteren und sichereren Weg gefunden hatten und bereits nach Paris gelangt waren.
    Für seine Pläne bedeutete es keinen Unterschied. Er musste weiterziehen.
    Als er Hugues’ schlafende Gestalt betrachtete, kam ihm ein entmutigender Gedanke. Vermutlich würde der alte Seemann es nicht
     bis nach Paris schaffen. Der Winter wurde strenger, das Terrain schwieriger, der keuchende Husten seines Gefährten schlimmer.
     Am Abend hatte ihn ein heftiges Fieber gepackt, zum ersten Mal hatte er Blut gehustet. Mit Schrecken musste Martin sich eingestehen,
     dass er Hugues bald zurücklassen und allein weiterziehen musste. Doch er konnte ihn nicht in diesem Vorgebirge zurücklassen,
     hier würde er erfrieren. Er musste seinem Freund eine Unterkunft suchen.
    Am Vortag hatten sie jenseits der Bergkette einen kleinen Ort entdeckt. In der Nähe befand sich ein Steinbruch, in dem winzige
     Gestalten in Staubwolken mit riesigen Marmorblöcken hantierten. Vielleicht würde er dort eine Herberge für seinen Freund finden.
    Als Hugues aus unruhigem Schlaf erwachte, erzählte Martin, was er sich überlegt hatte. Der Kapitän schüttelte entschieden
     den Kopf. «Nein, du musst weiter nach Frankreich. Ich folge dir, so weit ich es schaffe. Auf Fremde dürfen wir uns nicht verlassen.»
    Er hatte Recht. Die Verschlagenheit der Menschen dieses Landes war berüchtigt, hier im Norden regierten außerdem Räuberbanden
     und Sklavenhändler.
    Dennoch kletterte Martin am Rand des Wasserfalls die Felsen hinunter. Über Nacht war leichter Schnee gefallen, der den Berg
     in eine geisterhafte Decke hüllte. In

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