SdG 04 - Die eisige Zeit
er eine oder zwei Armeen aus dem Norden, von den anrückenden Malazanern abgezogen hätte. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass der Zweite verschwunden ist und Moks Kühnheit immer mehr zunimmt, wird der Erste zweifellos seine Gründe gehabt haben.
»Noch eine letzte Frage: Warum tue ich dir überhaupt diesen Gefallen?«
Ich sehe, du bist genauso gereizt wie immer. Nun gut. Als das letzte Mal große Not herrschte, hast du dich entschieden, ihr den Rücken zu kehren. Das war enttäuschend. Aber es waren immer noch genug andere da, damit das Anketten gelang – wenn auch zu einem Preis, der geringer gewesen wäre, wenn du ebenfalls dabei gewesen wärst. Doch selbst angekettet wird der Verkrüppelte Gott keine Ruhe geben. Sein ganzes Dasein besteht nur noch aus nie endendem, quälendem Schmerz, er ist zerschmettert, ist innerlich und äußerlich zerbrochen, doch das hat er in Stärke verwandelt. Damit nährt er seine Wut, seinen Hunger nach Rache -
»Die Narren, die ihn herabgezogen haben, sind schon lange tot, K’rul. Rache ist nur eine Entschuldigung. Was den Verkrüppelten Gott wirklich antreibt, ist Ehrgeiz. Die Lust an der Macht, die tief im Innern seines verfaulten, verschrumpelten Herzens liegt.«
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die Zukunft wird es weisen, wie die Sterblichen sagen. Wie auch immer, du hast dich den Rufen widersetzt, als es um das Anketten ging, Lady Missgunst. Ein zweites Mal werde ich eine solche Gleichgültigkeit nicht dulden.
»Du?« Sie lachte höhnisch. »Bist du mein Herr, K’rul? Seit wann – «
Visionen überfluteten ihren Geist, ließen sie stolpern. Dunkelheit. Dann Chaos – wilde, unkontrollierte, ungebündelte Macht, ein Universum ohne Sinn, ohne Kontrolle, ohne Bedeutung. Geschöpfe wirbelten durch den Mahlstrom. Verloren, entsetzt von der Geburt des Lichts. Eine plötzliche Schärfe – ein Schmerz, als wären die Handgelenke geöffnet worden, als ob Hitze daraus hervorströmte – ein brutales Aufdrängen der Ordnung, des Herzens, aus dem das Blut in gleichmäßigen Strömen floss. Ein Herz mit zwei Kammern -Kurald Galain, das Gewirr von Mutter Dunkel – und Starvald Demelain, das Gewirr der … Drachen. Und nun strömte das Blut – die Macht – durch Venen und Arterien, breitete sich durch das gesamte Dasein aus – und der Gedanke, der dann zu ihr kam, ließ sie bis in ihr Innerstes erschauern. Diese Venen, diese Arterien, das sind die Gewirre. »Wer hat das alles geschaffen? Wer?«
Teure Lady, antwortete K’rul, du hast deine Antwort schon erhalten, und ich will verdammt sein, wenn ich deine Unverschämtheit auch noch unterstütze. Du bist eine Zauberin. Bei der Wilden Mähne des Lichts, deine Macht speist sich aus dem Blut meiner ewigen Seele – und in dieser Angelegenheit wirst du mir gehorchen!
Lady Missgunst machte einen weiteren stolpernden Schritt, als die Visionen plötzlich verschwanden; sie fühlte sich desorientiert, und ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust. Sie holte tief Luft. »Wer kennt … die Wahrheit, K’rul?« Dass wir, wenn wir durch die Gewirre streifen, durch deinen Körper reisen. Dass wir, wenn wir die Macht aus den Gewirren ziehen, dein Blut vergießen? »Wer weiß es?«
Sie spürte ein beiläufiges Schulterzucken in seiner Antwort.
Anomander Rake, Draconus, Osric Und noch ein paar andere. Und jetzt weißt du es ebenfalls. Vergib mir, Lady Missgunst, ich habe nicht den Wunsch, ein Tyrann zu sein. Meine Präsenz in den Gewirren war immer passiv – du bist frei, zu tun, was du willst, so wie jede andere Kreatur, die in meinem unsterblichen Blut schwimmt. Ich habe, wenn du so willst, nur eine einzige Entschuldigung. Dieser Verkrüppelte Gott, dieser Fremde aus einer unbekannten Sphäre … Lady Missgunst, ich habe Angst.
Ein Schauer durchlief sie, als ihr die Bedeutung dieser Worte bewusst wurde.
Einen Augenblick später fuhr K’rul fort. In unserer Torheit haben wir Verbündete verloren. Etwa Dassem Ultor, der daran zerbrochen ist, dass der Vermummte zur Zeit des Ankettens seine Tochter zu sich geholt hat – das war ein vernichtender Schlag. Dassem Ultor, das wiedergeborene Erste Schwert –
»Glaubst du«, fragte sie langsam, »dass der Vermummte sie auch dann für das Anketten genommen hätte, wenn ich den Rufen gefolgt wäre?« Bin ich schuld an dem Verlust, den Dassem Ultor erlitten hat, überlegte sie?
Diese Frage könnte einzig und allein der Vermummte beantworten, Lady Missgunst. Und er würde wahrscheinlich so oder
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