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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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schreiender Bauern wieder, die sich gleich ihm auf die Hauptschlagader der Stadt zuschoben, wo die Masse der Gläubigen dahinströmte. Er fügte seine eigenen Schreie hinzu – wortlose Schreie, die Laute, die ein Stummer machen würde –, und schlug mit sinnloser Begeisterung um sich.
    Wie ein Blatt auf einem breiten, tiefen Fluss …

Kapitel Zehn
     
    Mutter Dunkel brachte drei Kinder hervor,
    die Ersten, die Tiste Andii, waren ihr die liebsten,
    Bewohner des Landes noch vor dem Licht.
    Dann wurden unter Schmerzen die Zweiten geboren,
    die Tiste Lians,
    der brennende Ruhm des Lichtes selbst,
    und so verweigerten sich die Ersten ihrer Mutter,
    in ihrer Wut, und so wurden sie ausgestoßen,
    die verdammten Kinder von Mutter Dunkel.
    Sie brachte dann die Dritten hervor, in ihrer Gnade,
    die Brut des Krieges zwischen Dunkel und Licht,
    die Tiste Edur, und es lagen Schatten
    auf ihren Seelen.
     
    Kilmanars Sagen
    Sebun Imanan
     
    D
    ie Hand schlug ihn hart ins Gesicht. Der Schreck hielt nicht lange an; noch während er versuchte zu begreifen, was er zu bedeuten hatte, verging er bereits wieder, ließ nur eine prickelnde Taubheit zurück. Zufrieden begann er, wieder in die Bewusstlosigkeit zu gleiten.
    Er wurde ein zweites Mal geschlagen.
    Grantl riss die Augen auf. »Geh weg«, murmelte er und machte sie wieder zu.
    »Du bist besoffen«, stieß Stonny Menackis wütend hervor. »Und du stinkst. Bei den Göttern, du hast die ganze Decke voll gekotzt. Das war’s; von mir aus kann er verrotten. Er gehört dir, Buke. Ich gehe zurück zu den Quartieren.«
    Grantl hörte, wie ihre Schritte sich über die knarrenden, unebenen Dielenbretter seiner verwahrlosten Kammer entfernten, hörte, wie die Tür sich kreischend öffnete und wieder zugeschlagen wurde. Er seufzte erschöpft, drehte sich um und machte sich daran weiterzuschlafen.
    Ein kaltes, nasses Tuch klatschte ihm ins Gesicht. »Wisch dir das Gesicht ab«, sagte Buke. »Ich brauche dich nüchtern, mein Freund.«
    »Niemand braucht mich nüchtern«, sagte Grantl und zog das Tuch weg. »Lass mich in Ruhe, Buke. Du ganz besonders – «
    »Tja, ich ganz besonders. Setz dich hin, verdammt noch mal.«
    Hände packten ihn an den Schultern, zogen ihn hoch. Grantl schaffte es, Bukes Handgelenke zu packen, doch er hatte keine Kraft in den Armen, und er brachte nur ein paar klägliche Rucke zustande.
    Schmerzen tobten durch seinen Kopf, schwärmten hinter seinen geschlossenen Augen. Er beugte sich vor und übergab sich, Gallenflüssigkeit floss ihm aus Mund und Nase und tropfte zwischen seinen abgestoßenen Stiefeln auf den Boden.
    Das Würgen ließ nach. Plötzlich war sein Kopf klarer. Er spuckte aus, was er noch im Mund hatte, und zog ein finsteres Gesicht. »Ich habe dich nicht eingeladen, du elender Bastard. Du hast kein Recht – «
    »Halt die Klappe.«
    Grollend ließ er den Kopf in die Hände sinken. »Wie lange?«
    »Sechs Tage. Du hast die Gelegenheit verpasst, Grantl.«
    »Was für eine Gelegenheit? Wovon redest du?«
    »Es ist zu spät. Der Septarch und die Pannionische Armee haben den Fluss überquert. Die Investitur hat begonnen. Es geht das Gerücht, dass den Blockhäusern auf dem Todesstreifen jenseits der Wälle ein Angriff droht, noch ehe dieser Tag vorüber ist. Sie werden nicht standhalten. Das da draußen ist eine riesige Armee. Veteranen, die mehr als eine Belagerung mitgemacht haben … und sie hatten immer Erfolg.«
    »Das reicht. Du redest zu viel. Ich kann nicht denken.«
    »Du willst nicht, meinst du wohl. Harllo ist tot, Grantl. Es ist Zeit, wieder nüchtern zu werden und zu trauern.«
    »Das musst ausgerechnet du sagen.«
    »Ich habe getrauert, mein Freund. Vor langer Zeit.«
    »Wann soll denn das gewesen sein, beim Vermummten?«
    »Du verstehst mich falsch. Das war schon immer so. Ich habe getrauert, und es ist verblasst. Fort. Jetzt … nun, jetzt ist da nichts mehr. Eine große, unbeleuchtete Höhle. Asche. Aber du bist nicht wie ich – kann sein, dass du das glaubst, aber du bist es nicht.«
    Grantl streckte eine Hand aus, tastete nach dem nassen Tuch, das er auf den Boden hatte fallen lassen. Buke hob es auf und drückte es ihm in die Hand. Grantl presste es gegen seine Stirn, hinter der noch immer der Schmerz hämmerte, und stöhnte. »Was für ein sinnloser Tod.«
    »Der Tod ist immer sinnlos, mein Freund. Bis die Lebenden ihm eine Bedeutung geben. Was wirst du aus Harllos Tod machen, Grantl? Beherzige meinen Rat – ein leeres Grab bietet

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