SdG 04 - Die eisige Zeit
stehen. »Weiter.«
»Deswegen bin ich … zu dir gekommen. Zumindest zum Teil.
Eine Gidrath-Wache hat letzte Nacht die erste Leiche gefunden, keine hundert Schritt von unserem Haus entfernt. Die Leiche war … ausgeweidet. Alle Organe haben gefehlt.«
»Sag dem Fürsten Bescheid, Buke. Zögere nicht – ein Krebsgeschwür im Herzen einer belagerten Stadt …«
»Ich kann nicht.« Er blieb stehen und packte Grantl am Arm. »Das dürfen wir nicht tun. Du hast nicht gesehen, wozu sie fähig sind, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen – «
»Sie müssen verjagt werden, Buke. Sollen sich doch die Pannionier an ihrer Gesellschaft erfreuen – von mir aus, mit dem größten Vergnügen. Trenn dich einfach von ihnen. Und nimm vielleicht den alten Diener mit … Reese.«
»Wir können nicht.«
»Natürlich könnt ihr – «
Bukes Griff wurde schmerzhaft fest. »Nein«, zischte er, »wir können es nicht!«
Mit finsterem Gesicht starrte Grantl die Straße entlang, versuchte nachzudenken.
»Sie werden anfangen, die Mauern niederzureißen, Grantl. Die äußeren Mauern. Sie werden Hunderte von Soldaten auslöschen, und dann werden sie Dämonen entfesseln, die Leichen wieder zum Leben erwecken und sie uns ins Gesicht schleudern. Sie werden Capustan für die Pannionier dem Erdboden gleichmachen. Aber da ist noch mehr. Denk einmal an eine andere Möglichkeit – was ist, wenn die Pannionier sie erzürnen …«
»Dann werden sie auf die Angreifer losgehen«, sagte Grantl seufzend und nickte. »Also gut. In der Zwischenzeit wird allerdings die Zahl der Mordopfer steigen. Schau dich um, Buke, diese Menschen sind sowieso schon kurz davor, in Panik auszubrechen. Was fehlt noch, damit sie endgültig durchdrehen? Wie viele Opfer? Die Trutze sind durch verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verbundene Gemeinschaften – alle Viertel sind durch Blutsbande und Heiraten miteinander verknüpft. Du wanderst da auf einem verdammt schmalen Grat …«
»Ich kann es nicht allein tun«, sagte Buke.
» Was tun?«
»Korbal Broach beschatten. Wenn er nachts hinausgeht. Wenn ich es schaffe, ihm seine nächtlichen Jagdausflüge zu vermasseln … und dabei nicht entdeckt werde – «
»Du hast den Verstand verloren!«, zischte Grantl. »Beim Vermummten, er ist ein verdammter Zauberer, alter Mann. Er wird dir schon beim ersten Mal auf die Schliche kommen.«
»Du hast Recht – wenn ich allein arbeiten muss …«
Grantl musterte den Mann an seiner Seite, suchte das abgespannte, schmale Gesicht, die harten Augen über dem wirren grauen Bart. Brandnarben zierten seit jenem Morgen nach dem Feuer Bukes Unterarme; damals hatte er voller rasender, wahnsinniger Zuversicht, dass er seine Familie finden würde, dass er sie irgendwo in dem Schutt lebendig finden würde, in Kohlen und Funken gewühlt.
Buke senkte den Blick, als er spürte, dass er genau gemustert wurde. »Ich bin nicht gerissen, mein Freund«, sagte der alte Mann und ließ Grantls Arm los. »Ich brauche jemanden, der sich eine Möglichkeit ausdenkt, wie wir so was hinkriegen können. Ich brauche jemanden, der genug Grips hat, um Korbal Broach hereinzulegen – «
»Nicht Broach. Bauchelain.«
»Stimmt, nur geht der nicht nachts nach draußen. Bauchelain toleriert Korbais … besondere Interessen. Broach hat den Verstand eines Kindes – eines bösartigen Kindes, dem keinerlei Beschränkungen auferlegt sind. Ich weiß jetzt, wie sie sind, Grantl; ich weiß es jetzt.«
»Ich frage mich, wie viele andere Narren schon versucht haben, Bauchelain auszutricksen.«
»Ganze Friedhöfe voll, schätze ich.«
Grantl nickte langsam. »Und trotzdem willst du all das tun, um was zu erreichen? Ein paar Leben zu retten … so dass diese Menschen dann von den Tenescowri geschlachtet und verschlungen werden können?«
»Das wäre immer noch ein barmherzigeres Ableben, mein Freund.«
»Der Vermummte soll mich holen, Buke. Lass mich darüber nachdenken.«
»Ich komme dann heute Abend bei dir vorbei, in den Truppenquartieren. Stonny – «
»Stonny darf davon verdammt noch mal nichts erfahren. Wenn sie etwas mitbekommt, wird sie sich selbst um Broach kümmern, und sie wird dabei nicht besonders feinsinnig vorgehen – «
»Und dann werden sie sie töten. Klar.«
»Bei den Göttern, mein Schädel platzt gleich.«
Buke grinste. »Du brauchst einen Priester.«
»Einen Priester?«
»Einen Priester, der über die Fähigkeiten eines Heilers verfügt. Komm mit, ich kenne zufällig
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