Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
Knochen. Und diese … Diener …
    »Du hast meinen Dank!«, rief er der Kreatur zu, die über ihm kauerte.
    Ein flacher, missgestalteter Kopf senkte sich herab. Diamantaugen starrten ihn an wie gefallene Sterne. »Hilf uns.«
    Die Stimme klang wie die eines Kindes, war voller Verzweiflung.
    Dem Schnellen Ben blieb der Mund offen stehen. Helfen?
    »Sie wird schwächer«, jammerte die Kreatur. »Mutter wird schwächer. Wir sterben. Hilf uns.«
    »Wie?«
    »Bitte, hilf uns.«
    »I-Ich weiß nicht, wie ich euch helfen soll.«
    »Hilf  uns.«
    Der Schnelle Ben mühte sich auf die Beine. Er sah jetzt, dass das Lehmfleisch schmolz, dass es in feuchten Streifen die dicken Arme des Riesen hinunterrann. Diamanten fielen in Klumpen zu Boden. Der Verkrüppelte Gott tötet sie; er vergiftet Brands Fleisch. Die Gedanken des Magiers rasten. »Diener! Kind Brands! Wie viel Zeit bleibt noch? Bis es zu spät ist?«
    »Nicht mehr lange«, erwiderte die Kreatur. »Er rückt näher. Der Augenblick rückt näher.«
    Panik ergriff den Schnellen Ben. »Wie nahe ist er schon? Kannst du dich etwas genauer ausdrücken? Ich muss wissen, wie viel Zeit ich noch habe, um mir etwas einfallen zu lassen. Bitte, versuche es!«
    »Schon sehr bald. Jahrzehnte. Jahrzehnte, nicht mehr. Der Augenblick rückt näher. Hilf uns.«
    Der Magier seufzte. Anscheinend waren für solche Kräfte Jahrhunderte nur Tage. Doch selbst wenn dem so war, drohte die Ungeheuerlichkeit der Bitte des Dieners ihn zu überwältigen. Genau wie die Bedrohung. Was geschieht, wenn Brand stirbt? Bern beschütze uns, ich glaube nicht, dass ich das wirklich herausfinden will. Nun gut, dann ist es eben jetzt mein Krieg. Er betrachtete den Boden zu seinen Füßen, untersuchte ihn mit seinen magischen Sinnen. Rasch entdeckte er den Spürer. »Diener! Ich werde etwas hier lassen, damit ich euch wiederfinden kann. Ich werde Hilfe finden – das verspreche ich –, und dann werde ich zu dir zurückkommen – «
    »Nicht zu mir«, sagte der Riese. »Ich sterbe. Ein anderer wird kommen. Vielleicht.« Die Arme der Kreatur waren dünner geworden, hatten ihre Rüstung aus Diamanten mittlerweile fast zur Gänze verloren. »Ich sterbe jetzt.« Die Kreatur begann, in sich zusammenzusacken. Der rote Fleck an der Decke hatte sich bis zu den Rippen ausgedehnt, die die Kreatur festhielt; erste Risse begannen sich in ihnen zu zeigen.
    »Ich werde eine Antwort finden«, flüsterte der Schnelle Ben. »Ich schwöre es.« Er vollführte eine Geste, und ein Gewirr öffnete sich. Ohne einen Blick zurückzuwerfen – weil ihm der Anblick sonst das Herz gebrochen hätte –, trat er hinein und war verschwunden.
     
    Eine Hand schüttelte ihn unerbittlich an der Schulter. Der Schnelle Ben öffnete die Augen.
    »Verdammt, Magier«, zischte Tippa. »Der Morgen dämmert gleich – wir müssen los.«
    Ächzend streckte der Magier die Beine, zuckte bei jeder Bewegung zusammen, ließ es schließlich zu, dass Tippa ihm beim Aufstehen half.
    »Hast du ihn zurückbekommen?«, wollte sie wissen, während sie ihn zu dem wartenden Quorl schleppte.
    »Was zurückbekommen?«
    »Diesen Kieselstein.«
    »Nein. Wir haben Probleme, Tippa – «
    »Wir haben immer Probleme – «
    »Nein, ich meine, wir alle haben Probleme.« Er stemmte die Fersen in den Boden, starrte sie an. »Wir alle.«
    Was auch immer sie seinem Gesichtsausdruck entnahm, es erschütterte sie zutiefst. »Schön. Aber jetzt müssen wir erst sehen, dass wir hier wegkommen.«
    »Ja. Ihr solltet mich besser festschnallen – ich werde es nicht schaffen, wach zu bleiben.«
    Sie erreichten den Quorl. Der Moranth, der auf dem vorderen Chitinsattel saß, drehte sich um und musterte sie schweigend aus den Augenschlitzen seines Visiers.
    »Königin der Träume«, murmelte Tippa, während sie dem Schnellen Ben das Ledergeschirr um die Glieder wickelte. »Ich habe dich noch nie so verängstigt gesehen, Magier. Ich könnte glatt Eiswürfel pissen.«
    Das waren die letzten Worte dieser Nacht, an die sich der Schnelle Ben erinnern sollte. Aber erinnern sollte er sich daran.
     
    Die Vorstellung vom Ertrinken quälten Ganoes Paran. Aber nicht in Wasser. Er hatte andauernd Visionen davon, in Dunkelheit zu ertrinken. Desorientiert, in Panik um sich schlagend an einem unbekannten Ort, den man nicht kennen konnte. Wann immer er die Augen schloss, zogen sich seine Eingeweide zu einem Knoten zusammen, und es war, als wäre er wieder zu einem Kind geworden. Verschreckt, ohne zu

Weitere Kostenlose Bücher