SdG 05 - Der Tag des Sehers
Ich habe wohl geglaubt, ich würde dich kennen – «
»Das hast du wohl.«
»Das ist dann also der Mann, für den Harllo sein Leben geopfert hat?«
Langsam hob Grantl den Kopf. Was auch immer Buke in seinen Augen sah, es ließ ihn einen Schritt zurücktreten. »Mit welcher Trutz arbeitest du gerade?«, fragte der Karawanenführer ruhig.
»Uldan«, flüsterte der alte Mann.
»Dann werde ich dort vorbeikommen, Buke. Und in der Zwischenzeit geh mir aus den Augen.«
Die Schatten hatten sich größtenteils aus dem Innenhof zurückgezogen, so dass sich Hetan und ihr Bruder Cafal im hellen Sonnenlicht befanden. Die beiden Barghast kauerten mit gesenkten Köpfen auf einem fadenscheinigen, verblichenen Teppich. Von Asche geschwärzte Schweißtropfen rannen an ihnen hinunter. Zwischen ihnen stand auf drei handhohen, eisernen Füßen eine niedrige, mit glühenden Kohlen gefüllte Kohlenpfanne.
Soldaten und Boten schwirrten um sie herum.
Schild-Amboss Itkovian stand ein paar Schritte neben dem Eingang zum Hauptquartier und musterte die Geschwister. Er hatte nicht gewusst, dass die Barghast von Meditation besonders angetan waren, doch es schien, als hätten Hetan und Cafal kaum etwas anderes gemacht, seit sie aus dem Knecht zurückgekehrt waren. Sie hatten gefastet, so gut wie kein Wort gesprochen und ihr Lager auf höchst störende Weise mitten auf dem Innenhof vor den Truppenunterkünften aufgeschlagen – mit anderen Worten: Sie hatten sich zu einer unnahbaren Insel gemacht.
Das ist nicht die Ruhe gewöhnlicher Sterblicher. Sie reisen mit den Geistern. Brukhalian verlangt von mir, dass ich einen Weg finde, zu ihnen durchzudringen – um jeden Preis. Hütet Hetan noch ein weiteres Geheimnis? Hat sie einen Fluchtweg für sich selbst, ihren Bruder und die Knochen der Gründergeister entdeckt? Eine unbekannte Schwäche in unserer Verteidigung? Einen Fehler in der Aufstellung der Pannionier?
Itkovian seufzte. Er hatte es bereits versucht, jedoch ohne Erfolg. Jetzt würde er es noch einmal versuchen. Als er gerade vortreten wollte, spürte er, dass jemand neben ihm stand; er drehte sich um und sah sich Fürst Jelarkan gegenüber.
Das Gesicht des jungen Mannes war von tiefen Linien gezeichnet, die seine Erschöpfung verrieten. Seine langfingrigen, eleganten Hände zitterten, obwohl er sie knapp über dem Gürtel seiner Robe gefaltet hatte. Während sein Blick auf die schwirrende Aktivität im Innenhof gerichtet blieb, sagte er: »Schild-Amboss, ich muss wissen, was Brukhalian vorhat. Er verfügt über etwas, das ihr Soldaten einen rasierten Knöchel im Loch nennt, so viel ist klar. Und daher bin ich wieder einmal gekommen, um bei dem Mann, den ich angeheuert habe, um eine Audienz zu ersuchen.« Er versuchte gar nicht erst, den bitteren Sarkasmus seiner Bemerkung zu verbergen. »Vergeblich. Das Todbringende Schwert hat keine Zeit für mich. Keine Zeit für den Fürsten von Capustan.«
»Herr«, sagte Itkovian, »Ihr könnt mir Eure Fragen stellen, und ich werde tun, was ich kann, Euch Antworten zu geben.«
Der junge Capan drehte sich zu dem Schild-Amboss um. »Brukhalian hat Euch die Erlaubnis gegeben zu sprechen?«
»Das hat er.«
»Sehr gut. Die Kron T’lan Imass und ihre untoten Wölfe. Sie haben die K’Chain-Che’Malle-Dämonen des Septarchen vernichtet.«
»So ist es.«
»Doch die Pannionische Domäne hat mehr. Hunderte mehr.«
»Ja.«
»Warum marschieren die T’lan Imass dann nicht ins Gebiet der Domäne ein? Ein Angriff auf das Territorium des Sehers könnte sehr wohl dazu führen, dass Kulpaths Belagerungsarmeen abgezogen werden. Der Seher hätte gar keine andere Wahl, als sie wieder auf die andere Seite des Flusses zurückzuziehen.«
»Wären die T’lan Imass eine Armee von Sterblichen, wäre ein solches Vorgehen in der Tat nahe liegend, und es käme logischerweise auch unseren Bedürfnissen entgegen«, erwiderte Itkovian. »Doch leider sind Kron und seine untoten Verwandten an übernatürliche Bedürfnisse gebunden, über die wir so gut wie nichts wissen. Man hat uns etwas von einer Zusammenkunft erzählt, von einer stummen Beschwörung, deren Zweck uns unbekannt ist. Dies hat im Moment den Vorrang vor allem anderen. Kron und die T’lan Ay haben die K’Chain Che’Malle von Septarch Kulpath vernichtet, weil sie deren Anwesenheit als direkte Bedrohung für die Zusammenkunft betrachteten.«
»Warum? Diese Erklärung reicht nicht aus, Schild-Amboss.«
»Ich teile Eure Einschätzung, Herr. Es
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