Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
Lederweste, auf der solche Muscheln befestigt waren, eine Rüstung, die im unaufhörlichen, ewigtrockenen Wind stöhnte. Es gab verborgene Quellen in der Ödnis, Steinhaufen und Höhlen, in denen ein alter Meeresgott verehrt worden war. Abgelegene Senken, die alle paar Jahre vom Sand freigelegt wurden und mit Schnitzereien bedeckte Schiffe aus versteinertem Holz zum Vorschein brachten – lang gestreckte Schiffe mit hohem Bug, eine seit langer Zeit tote Flotte, die im Sternenlicht enthüllt wurde, nur um am folgenden Tag erneut begraben zu werden. An anderen Orten – häufig hinter den Strandkämmen – hatten die vergessenen Seeleute Friedhöfe angelegt, wobei sie ausgehöhlte Zedernstämme benutzt hatten, um ihre toten Verwandten zu beherbergen – alle in Stein verwandelt, vereinnahmt von der unerbittlichen Macht der Raraku.
    Schicht um Schicht wurden die Geheimnisse von den Winden enthüllt. Steile Klippen, die wie Rampen in die Höhe wuchsen, in denen die versteinerten Skelette gewaltiger Kreaturen zu sehen waren. Die übrig gebliebenen Baumstümpfe gerodeter Wälder, die auf Bäume hindeuteten, die so groß waren wie diejenigen, die Karsa aus seiner Heimat kannte. Die säulenartigen Verpfählungen von Docks und Piers, Ankersteine und offene Gruben, in denen Zinn abgebaut worden war, Feuerstein-Steinbrüche und schnurgerade, erhöht liegende Straßen. Bäume, die ausschließlich unterirdisch weiterwuchsen, ein Geflecht von Wurzeln, die sich viele Längen weit erstreckten und aus denen das Eisenholz für Karsas neues Schwert herausgehauen worden war. Denn sein Blutschwert war schon vor langer Zeit zerbrochen.
    Die Raraku hatte die Apokalypse aus erster Hand kennen gelernt, schon vor Jahrtausenden, und Toblakai fragte sich, ob sie ihre Rückkehr wirklich willkommen hieß. Sha’iks Göttin suchte die Wüste heim, ihre sinnlose Wut äußerte sich im schrillen Kreischen des nie nachlassenden Windes an ihren Grenzen, aber Karsa wunderte sich über die Manifestation des Wirbelwinds – wofür stand sie wirklich? Für kalte, unabhängige Wut – oder für wilden, ungezügelten Streit?
    Führte die Göttin Krieg gegen die Wüste?
    Während sich weit im Süden dieses trügerischen Landes die malazanische Armee auf den Marsch vorbereitete.
    Als er sich dem Herzen des Hains näherte – wo ein niedriger Altar aus flachen Steinen auf einer kleinen Lichtung stand –, sah er eine schlanke, langhaarige Gestalt auf dem Altar sitzen, als sei er nichts weiter als eine Bank in einem verwahrlosten Garten. In ihrem Schoß lag ein Buch, dessen rissige Lederhülle den Augen Toblakais vertraut war.
    Sie sprach ihn an, ohne sich umzudrehen. »Ich habe deine Spuren an diesem Ort gesehen, Toblakai.«
    »Und ich die Euren, Erwählte.«
    »Ich bin hierher gekommen, um nachzudenken«, sagte sie, als er um den Altar herum und in ihr Blickfeld trat.
    Genau wie ich.
    »Kannst du erraten, worüber ich nachdenke?«
    »Nein.«
    Die fast verblassten Pockennarben, die die Blutfliegen hinterlassen hatten, zeigten sich nur noch, wenn sie lächelte. »Das Geschenk der Göttin …«, ihr Lächeln wurde jetzt angestrengt, »bietet nur Vernichtung.«
    Er blickte weg, betrachtete die Bäume ringsum. »Dieser Hain wird in der Art der Raraku Widerstand leisten«, knurrte er. »Er ist zu Stein geworden. Und Stein ist beständig.«
    »Ein Weilchen«, murmelte sie. Ihr Lächeln erstarb. »Aber in mir ist etwas, das danach drängt, etwas zu … erschaffen.«
    »Bekommt ein Kind.«
    Ihr Lachen war fast ein Aufschrei. »Oh, Toblakai, du ungeschlachter Narr. Ich sollte deine Gesellschaft viel öfter suchen.«
    Warum tust du es dann nicht?
    Sie deutete mit ihrer kleinen Hand auf das Buch in ihrem Schoß. »Dryjhna war eine Autorin, die – wohlwollend ausgedrückt – allenfalls mit einem unterentwickelten Talent gesegnet war. Ich fürchte, in diesem Buch sind nichts als Knochen. Sie ist besessen davon, Leben zu nehmen und die Ordnung umzustürzen. Doch kein einziges Mal bietet sie etwas anderes stattdessen an. Aus der Asche ihrer Vision wird nichts Neues geboren, und das macht mich traurig. Macht es dich auch traurig, Toblakai?«
    Er starrte mehrere Herzschläge lang auf sie hinab, dann sagte er: »Kommt mit.«
    Schulterzuckend legte sie das Buch auf den Altar und stand auf, zupfte die abgetragene, schlichte, farblose Telaba zurecht, die locker um ihren kurvenreichen Körper hing.
    Er führte sie zwischen die Reihen der knochenweißen Bäume. Sie folgte ihm

Weitere Kostenlose Bücher