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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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»Ich werde Euch über die Entwicklung auf dem Laufenden halten, wenn Ihr wünscht.«
    »Oh, danke, ja.«
    Er schaute ihr nach, wie sie die Lichtung verließ. Eide hatten sich eng um Toblakais Seele gewunden. Und zogen sich langsam zusammen. Schon bald würde etwas zerbrechen. Er wusste nicht, was, doch wenn Leoman ihn eines gelehrt hatte, dann war das Geduld.
    Nachdem sie fort war, drehte der Krieger sich um und näherte sich der Steinmetz-Kiste.
    Staub lag auf seinen Händen, eine geisterhafte Patina, die von dem rasenden roten Sturm, der die Welt umkreiste, schwach rosa eingefärbt wurde.
     
    Die Hitze des Tages war in der Raraku nichts weiter als eine Illusion. Mit Einbruch der Dunkelheit schüttelten die toten Knochen der Wüste rasch den schimmernden, fiebrigen Atem der Sonne ab. Der Wind wurde kühl, und der Sand wimmelte plötzlich von krabbelndem, summendem Leben, wie Ungeziefer, das von einem Kadaver aufsteigt. Rhizan flatterten in rasender, wilder Jagd durch die Schwärme von Kapmotten und Sandflöhen über der Zeltstadt, die sich in den Ruinen erstreckte. In der Ferne heulten Wüstenwölfe, als würden sie von Geistern heimgesucht.
    Heboric lebte in einem bescheidenen Zelt, das um einen Ring aus Steinen errichtet worden war, der einst das Fundament eines Kornspeichers gewesen war. Seine Unterkunft lag ein gutes Stück vom Zentrum der Siedlung entfernt, umgeben von den Yurten eines von Mathoks Wüstenstämmen. Alte Teppiche bedeckten den Fußboden. Auf einer Seite stand auf einem kleinen Tisch aus aufgestapelten Ziegeln eine Kohlenpfanne, die zum Kochen, jedoch nicht zum Heizen ausreichte. Unweit davon stand ein Fässchen mit Quellwasser, dem bernsteingelber Wein mehr Geschmack verlieh. Ein halbes Dutzend flackernde Öllampen erfüllten das Innere des Zelts mit gelbem Licht.
    Der ehemalige Priester war allein, der durchdringende Duft des Hen’bara-Tees hing süß in der allmählich kühler werdenden Luft. Die Geräusche des zur Ruhe kommenden Stammes, die von draußen hereindrangen, sorgten für einen beruhigenden Hintergrund, nah und chaotisch genug, um seine Gedanken ziellos und zufällig wandern zu lassen. Erst später, wenn sich alle um ihn herum schlafen gelegt hatten, würde der unbarmherzige Angriff beginnen, würden die Schwindel erregenden Visionen eines Gesichts aus Jade erscheinen – eines Gesichts von so gewaltigen Ausmaßen, dass es das Begriffsvermögen schier überstieg. Macht, gleichermaßen fremd wie irdisch, als sei sie aus einer natürlichen Kraft geboren, die nie dazu gedacht war, sich zu verändern. Doch sie war verändert worden, war geformt und zum Empfinden verflucht worden. Ein Riese, begraben in Otataral, zur Bewegungslosigkeit verdammt, gefangen in einem ewigen Gefängnis.
    Ein Riese, der jetzt die Welt außerhalb seines Gefängnisses berühren konnte – mit den Geistern zweier menschlicher Hände, die von einem Gott erst beansprucht und dann fallen gelassen worden waren.
    Aber hat mich Fener wirklich fallen gelassen – oder habe ich Fener im Stich gelassen? Ich frage mich, wer von uns beiden wohl … angreifbarer ist?
    Dieses Lager, dieser Krieg – diese Wüste – sie alle hatten sich verschworen, um die Schande seines Sich-Verbergens zu lindern. Doch eines Tages, das wusste Heboric, würde er zu dem gefürchteten Ödland aus seiner Vergangenheit zurückkehren müssen, auf die Insel, wo der Steinriese wartete. Zurückkehren. Doch wozu?
    Er hatte immer geglaubt, dass Fener seine abgetrennten Hände in Obhut genommen hatte, dass sie dem harten Urteil entgegensahen, das zu fällen das Recht des Hauerträgers war. Ein Schicksal, das Heboric akzeptiert hatte, so gut er konnte. Aber es schien, als nähme der Verrat, den ein einziger ehemaliger Priester an seinem Gott verüben konnte, niemals ein Ende. Fener war aus seiner Sphäre gezogen, war verlassen und gefangen in dieser Welt zurückgelassen worden. Heborics abgetrennte Hände hatten einen neuen Herrn gefunden, einen Herrn, der über solch gewaltige Macht verfügte, dass er Krieg gegen das Otataral selbst führen konnte. Doch diese Macht gehörte nicht hierher. Der Riese aus Jade war ein Eindringling, so glaubte Heboric mittlerweile, der aus irgendeinem finsteren Grund aus einer anderen Sphäre hierher geschickt worden war.
    Und anstatt die Aufgabe zu erfüllen, war er von jemandem eingesperrt worden.
    Er trank einen Schluck von seinem Tee, betete, dass die betäubende Wirkung sich als ausreichend erweisen würde, ihm einen

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