SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
Freuden des Fleisches fern zu halten. Tatsächlich liegt in der Verschmelzung der Schatten große Macht.«
»Und deshalb habt Ihr Sha’ik vergewaltigt, als sie noch ein Kind war. Und ihr auf diese Weise alle künftigen Chancen auf solche Freuden genommen, denen Ihr Euch hingebt. Ich kann darin keine Logik erkennen, Bidithal – nur einen kranken Geist.«
»Meine Absichten liegen außerhalb Eures Vorstellungsvermögens, Geisterhand«, sagte der Hohemagier mit einem schmierigen Grinsen. »Ihr könnt mich mit solch tölpelhaften Versuchen nicht verletzen.«
»Man hat mir zu verstehen gegeben, dass Ihr erregt seid … verwirrt.«
»Oh, das muss L’oric gewesen sein. Noch so ein dummer Kerl. Er hat die Aufregung, die der Begeisterung entspringt, mit Ärger verwechselt. Aber ich werde nichts weiter dazu sagen. Nicht zu Euch.«
»Dann erlaubt mir, mich gleichermaßen kurz zu fassen, Bidithal.« Heboric trat näher an ihn heran. »Wenn Ihr auch nur in Felisins Richtung blickt, werden Euch meine geisterhaften Hände den Hals umdrehen.«
»Felisin? Sha’iks liebstes Kind? Glaubt Ihr wirklich, sie ist noch Jungfrau? Bevor Sha’ik zurückgekehrt ist, war das Kind eine Streunerin, eine Lager-Waise. Niemand hat sich einen Deut um sie gekümmert – «
»Das spielt keine Rolle«, sagte Heboric.
Der Hohemagier wandte sich ab. »Wie Ihr meint, Geisterhand. Der Vermummte weiß, es gibt genügend andere – «
»Die jetzt alle unter Sha’iks Schutz stehen. Bildet Ihr Euch etwa ein, sie wird zulassen, dass Ihr ihre Schützlinge missbraucht?«
»Das müsst Ihr sie schon selbst fragen«, erwiderte Bidithal. »Und nun geht. Ihr seid hier nicht mehr willkommen.«
Heboric zögerte. Er konnte dem Drang, den Mann jetzt sofort, auf der Stelle zu töten, kaum widerstehen. Wäre es denn wirklich nur, um etwas zu verhindern, was erst noch geschehen wird? Hat er seine Verbrechen – seine früheren Verbrechen – nicht gerade eben gestanden? Aber an diesem Ort galt die malazanische Gerichtsbarkeit nicht. Hier existierte nur ein einziges Gesetz: das Gesetz Sha’iks. Und ich werde in dieser Angelegenheit auch nicht allein stehen. Sogar Toblakai hat geschworen, Felisin zu beschützen. Aber was ist mit den anderen Kindern? Warum lässt Sha’ik das alles zu – es sei denn, es ist wirklich so, wie Leoman gesagt hat. Sie braucht Bidithal. Braucht ihn, um Febryls Komplott aufzudecken.
Aber was kümmert mich das alles? Diese … Kreatur hat es nicht verdient zu leben.
»Denkt Ihr darüber nach, mich umzubringen?«, murmelte Bidithal, der sich bereits wieder abgewandt hatte; sein eigener Schatten tanzte über die Zeltwand. »Ihr wärt weder der Erste noch – vermute ich – der Letzte. Ich sollte Euch allerdings warnen. Dieser Tempel ist jüngst wieder geweiht worden. Noch einen Schritt auf mich zu, Geisterhand, und Ihr werdet die Macht spüren, die sich hier manifestiert.«
»Und Ihr glaubt tatsächlich, Sha’ik wird Euch erlauben, vor Schattenthron zu knien?«
Der Mann wirbelte herum, das Gesicht dunkel vor Wut. »Schattenthron? Dieser … Fremdling? Die Wurzeln von Meanas liegen in einem älteren Gewirr. Einem, das einst von – « Er schloss den Mund, um ihn einen Augenblick später wieder zu einem Lächeln zu öffnen, das seine dunklen Zähne entblößte. »Das geht Euch nichts an. Oh, nein, das geht Euch gar nichts an, ehemaliger Priester. Es gibt Pläne im Wirbelwind – Eure Existenz wird geduldet, doch kaum mehr als das. Fordert mich heraus, Geisterhand, und Ihr werdet erfahren, was heiliger Zorn bedeutet.«
Heboric grinste brutal. »Das habe ich schon, Bidithal. Doch ich bin immer noch da. Pläne? Meiner könnte sein, mich Euch in den Weg zu stellen. Ich gebe Euch den Rat, einmal darüber nachzudenken.«
Er trat wieder ins Freie, blieb kurz stehen und blinzelte ins grelle Sonnenlicht. Silgar war nirgends zu sehen, doch er hatte im Staub um Heborics Mokassins ein kompliziertes Muster angelegt. Ketten, die eine Gestalt mit Armstümpfen statt Händen umgaben … aber sie hatte Füße. Der ehemalige Priester machte ein finsteres Gesicht und trampelte über das Bild, als er ging.
Silgar war kein Künstler. Heborics Augen waren schlecht. Vielleicht war, was er gesehen hatte, ein Trugbild seiner Furcht – schließlich war Silgar früher selbst im Kreis der Ketten gewesen. Jedenfalls war es nicht bedeutsam genug, um zurückzugehen und einen zweiten Blick darauf zu werfen. Außerdem hatten seine Fußstapfen es zweifellos
Weitere Kostenlose Bücher