SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
schweigend.
Nach dreißig Schritten erreichten sie eine weitere kleine Lichtung, dicht von dicken, versteinerten Baumstämmen umstanden. Der flache, rechteckige Kasten eines Steinmetz stand in dem skelettartigen Schatten, den die Zweige warfen. Toblakai trat zur Seite, musterte schweigend ihr Gesicht, während sie sein noch unvollendetes Werk anstarrte.
Zwei der Baumstämme, die die Lichtung umgaben, waren mit Keilhaue und Meißel neu geformt worden. Zwei Krieger starrten sie aus blicklosen Augen an, der eine ein bisschen kleiner als Toblakai, aber weit stämmiger, der andere größer und dünner.
Er sah, dass ihr Atem schneller ging, ihre Wangen leicht gerötet waren. »Du hast Talent … ungeformt, aber voller Ausdruck«, murmelte sie, ohne den Blick von den beiden Statuen abzuwenden. »Hast du vor, die ganze Lichtung mit solch gewaltigen Kriegern zu umgeben?«
»Nein. Die anderen werden … anders sein.«
Sie wandte den Kopf, als sie ein Geräusch hörte, und trat schnell dichter an Karsa heran. »Eine Schlange.«
Er nickte. »Es werden noch mehr werden, sie kommen von allen Seiten. Wenn wir noch länger hier bleiben, wird sich die ganze Lichtung mit Schlangen füllen.«
»Kobras.«
»Und andere. Aber sie beißen oder spucken nicht. Das machen sie nie. Sie kommen … um zuzusehen.«
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, erschauerte leicht. »Was für eine Macht manifestiert sich hier? Es ist nicht die des Wirbelwinds – «
»Nein. Ich habe auch keinen Namen für sie. Vielleicht ist es die Heilige Wüste selbst.«
Bei diesen Worten schüttelte sie langsam den Kopf. »Ich glaube, du irrst dich. Ich glaube, diese Macht kommt aus dir selbst.«
Er zuckte die Schultern. »Wir werden es ja sehen, wenn ich sie alle fertig habe.«
»Wieviele?«
»Außer Bairoth und Delum Thord? Sieben.«
Sie runzelte die Stirn. »Eine Statue für jeden der Heiligen Beschützer?«
Nein. »Vielleicht. Das habe ich noch nicht entschieden. Diese beiden, die Ihr hier seht, das waren meine Freunde. Nun sind sie tot.« Er machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: »Ich hatte nur zwei Freunde.«
Sie schien leicht zusammenzuzucken. »Was ist mit Leoman? Was ist mit Mathok? Was ist mit … mir?«
»Ich habe nicht vor, Euch hier als Statuen zu verewigen.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
Ich weiß. Er deutete auf die beiden Teblor-Krieger. »Auch so kann man etwas erschaffen, Erwählte.«
»Als ich jung war, habe ich Gedichte geschrieben, bin ich dem Pfad gefolgt, den meine Mutter bereits gegangen ist. Hast du das gewusst?«
Er lächelte bei dem Wort »jung«, antwortete jedoch vollkommen ernst: »Nein, das habe ich nicht gewusst.«
»Ich … ich habe wieder damit angefangen.«
»Möge es Euch wohl dienen.«
Sie musste etwas von der blutverschmierten Schärfe gespürt haben, die in seiner Bemerkung mitschwang, denn ihre Miene verhärtete sich. »Aber das ist niemals die Bestimmung solcher Dinge. Zu dienen. Oder Zufriedenheit zu bringen – Selbstzufriedenheit meine ich, da die andere ihr nur wie eine wiederkehrende Kräuselung in einer Quelle folgt – «
»Die das Muster verwirrt.«
»Du sagst es. Es ist viel zu einfach, in dir nur einen holzköpfigen Barbaren zu sehen, Toblakai. Nein, der Antrieb, etwas zu erschaffen, ist etwas anderes, stimmt’s? Hast du eine Antwort?«
Er zuckte die Schultern. »Wenn es eine gibt, kann man sie nur finden, während man sucht – und Suchen ist das Wesentliche beim Erschaffen, Erwählte.«
Sie starrte noch einmal zu den Statuen hinüber. »Und wonach suchst du? Mit diesen … alten Freunden?«
»Ich weiß es nicht. Noch nicht.«
»Vielleicht werden sie es dir eines Tages sagen.«
Die Schlangen umringten sie jetzt zu Hunderten, schlängelten sich unbemerkt von beiden über ihre Füße, um ihre Knöchel, hoben wieder und wieder die Köpfe, um in Richtung der in Statuen verwandelten Baumstämme zu züngeln.
»Ich danke dir, Toblakai«, murmelte Sha’ik. »Ich bin beschämt … und erfrischt.«
»Es gibt Ärger in Eurer Stadt, Erwählte.«
Sie nickte. »Ich weiß.«
»Seid Ihr die Ruhe in ihrem Herzen?«
Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich abwandte. »Werden diese Schlangen uns gehen lassen?«
»Natürlich. Aber macht keine Schritte. Schlurft stattdessen. Langsam. Sie werden Euch einen Weg frei machen.«
»Ich sollte beunruhigt über all dies sein«, sagte sie, während sie den Weg zurückging.
Aber dies ist die geringste deiner Sorgen, Erwählte.
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