SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
ihnen kamen drei Berittene, die Befehle riefen. Ein schneller Blick in Richtung des Seeufers zeigte ihm, dass sich dort noch mehr Reiter sammelten; sie hatten die Köpfe in seine Richtung gedreht.
Der Kriegsführer hob Nager hoch, klemmte sich das Tier unter den linken Arm.
Dann machte er sich an die Verfolgung des Dorfbewohners mit der Hacke.
Faulendes Gemüse lag in dem schmalen Durchgang zwischen den beiden Häusern, der am hinteren Ende zu zwei eingezäunten Weiden führte. Als er auf den Pfad zwischen den beiden Zäunen kam, sah er den Mann zwanzig Schritte weiter vorn rennen. Hinter den Pferchen befand sich ein seichter Graben, der Abwasser zum See führte. Das Kind hatte ihn überquert und stürmte in ein Wäldchen aus jungen Erlen – dahinter befanden sich noch mehr Gebäude, entweder Ställe oder Lagerhäuser.
Karsa raste hinter ihm her, machte einen Satz über den Graben, Nager unter dem Arm. Die Erschütterungen verursachten dem Hund große Schmerzen, wusste der Teblor. Er überlegte kurz, ob er ihm die Kehle durchschneiden sollte.
Das Kind betrat einen Stall, noch immer die Hacke in der Hand.
Karsa folgte ihm und duckte sich tief, als er durch den Seiteneingang stürmte. Plötzlich herrschte um ihn herum Zwielicht. Es waren keine Tiere in den Ställen; das Stroh, das immer noch hoch aufgetürmt war, sah alt und feucht aus. Ein großes Fischerboot beherrschte den breiten Gang in der Mitte; es war umgedreht worden und ruhte auf Holzböcken. Zur Linken befanden sich doppelte Schiebetüren, eine von ihnen war leicht aufgeschoben, die Seile des Griffs schaukelten sanft vor und zurück.
Karsa suchte den hintersten, dunkelsten Stall und bettete Nager dort auf das Stroh. »Ich werde zurückkommen, mein Freund«, flüsterte er. »Falls ich es aber doch nicht schaffen sollte, musst du irgendwie wieder gesund werden, und dann machst du dich auf den Weg nach Hause. Nach Hause zu uns Uryd.« Der Teblor schnitt einen Lederriemen von seiner Rüstung ab, riss von seiner Gürteltasche eine Hand voll Bronzeamulette ab, die die Stammeszeichen trugen, und fädelte sie auf den Lederriemen. Er verknotete sie so fest, dass keines locker hing und somit auch kein Geräusch verursachen würde. Anschließend schlang er Nager das Behelfshalsband um den kräftigen, muskulösen Hals. Dann legte er eine Hand leicht auf die zerschmetterte Hüfte des Tiers und schloss die Augen. »Ich schenke diesem Tier die Seele der Teblor, das Herz der Uryd. Urugal, höre mich. Heile diesen großen Kämpfer. Dann schicke ihn nach Hause. Doch fürs Erste, tapferer Urugal, verberge ihn.«
Er zog die Hand zurück und schlug die Augen wieder auf. Das Tier schaute ruhig zu ihm auf. »Koste dein langes Leben aus, Nager. Wir werden uns wiedersehen, das schwöre ich beim Blute all der Kinder, die ich heute niedergemacht habe.«
Karsa packte sein Blutschwert fester, drehte sich um und verließ den Stall, ohne noch einmal zurückzublicken.
Er trottete zur Schiebetür und blickte hinaus.
Gegenüber stand ein Lagerhaus mit hohem Dach und einem mit einer Ladeplattform versehenen Heuboden unter dem mit Schieferschindeln gedeckten Dach. Aus dem Gebäude kamen Geräusche von sich schließenden Riegeln und Bolzen. Lächelnd schoss Karsa zu der Stelle, wo die Ladeketten von ihren Rollen baumelten, den Blick auf die offene Ladeluke hoch über seinem Kopf gerichtet.
Als er sein Schwert wieder hinter seiner Schulter befestigen wollte, sah er voller Überraschung, dass er förmlich mit Bolzen und Pfeilen gespickt war, und zum ersten Mal wurde ihm klar, dass viel von dem Blut, das seinen Körper bedeckte, sein eigenes war. Mit finsterem Gesicht zog er die Geschosse heraus. Dies brachte noch mehr Blut hervor, besonders von seinem rechten Oberschenkel und zwei Wunden in seiner Brust. Die mit Widerhaken besetzte Spitze eines langen Pfeils hatte sich tief in einen Rückenmuskel gegraben. Er versuchte, den Pfeil herauszuziehen, aber die Schmerzen hätten ihn beinahe ohnmächtig werden lassen. Daher begnügte er sich damit, den Pfeil knapp hinter der eisernen Spitze abzubrechen. Als er das endlich geschafft hatte, fröstelte er und war schweißgebadet.
Entfernte Schreie erinnerten ihn wieder an die Soldaten und die Stadtbewohner, die alle hinter ihm her waren, und deren Ring sich langsam um ihn schloss. Karsa packte die Ketten und machte sich daran, an ihnen emporzuklettern. Jedes Mal, wenn er den linken Arm hob, schoss ein fürchterlicher Schmerz durch seinen
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