SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
Wirklichkeit und unausweichlich war. Und unerklärlich. Wer hatte solch entsetzliche Kreaturen gegen ihn aufgehetzt? Untote Teblor, untote Tiefländer, Krieger und Kinder, eine Armee aus Leichnamen, alle an ihn gekettet. Warum?
Führe uns, Kriegsführer.
Wohin?
Und nun würde er ertrinken. Hier, an einem unbekannten Ort, weit weg von seinem Dorf. Sein Anspruch auf Ruhm, seine Schwüre, all das spottete seiner, ein flüsternder Chor aus gedämpftem Knirschen und sanftem Ächzen …
»Torvald.«
»Oh … äh … was? Was ist?«
»Ich höre neue Geräusche.«
Der Daru setzte sich auf und blinzelte, um die schlammverkrusteten Augen freizubekommen. Er schaute sich um. »Beru beschütze uns!«
»Was siehst du?«
Der Blick des Daru war auf etwas gerichtet, das sich hinter Karsas Kopf befand. »Nun, es scheint, als würde es hier doch so was wie Strömungen geben – wobei sich die Frage stellt, wer von uns sich jetzt bewegt hat? Schiffe, Karsa, ich sehe Schiffe. Fast zwei Dutzend, die alle reglos im Wasser liegen, genau wie wir. Treibende Wracks. An Bord bewegt sich nichts … zumindest kann ich bis jetzt keinerlei Bewegung erkennen. Sieht so aus, als hätte es einen Kampf gegeben. bei dem eine Menge Zauberei im Spiel war …«
Irgendeine unmerkliche Verlagerung brachte die geisterhafte Flotille in Karsas Blickfeld, ein auf der Seite liegendes Bild zu seiner Rechten. Es waren zwei Arten von Schiffen, die sich deutlich voneinander unterschieden. An die zwanzig waren niedrig und schlank gebaut, das Holz größtenteils schwarz gebeizt; nur dort, wo Treffer, Kollisionen oder andere Schäden aufgetreten waren, war das natürliche Rot des Zedernholzes noch zu sehen – wie klaffende Wunden. Viele dieser Schiffe lagen tief im Wasser, bei einigen waren sogar die Decks überflutet. Es handelte sich um Einmaster mit Rahsegeln, deren zerrissene, zerfetzte Leinwand ebenfalls schwarz war und im hellen Licht schimmerte. Die restlichen sechs Schiffe waren größer, mit hoch aufragenden Decks und drei Masten. Sie bestanden aus einem Holz, das tatsächlich schwarz war – nicht gebeizt –, was sich an den Rissen und gesplitterten Planken zeigte, die die breiten, bauchigen Rümpfe verunstalteten. Nicht eines dieser Schiffe lag waagerecht im Wasser; alle neigten sich zur einen oder anderen Seite, zwei von ihnen sogar in einem sehr steilen Winkel.
»Wir sollten ein paar von ihnen entern«, sagte Torvald. »Dort wird es Werkzeug geben, vielleicht sogar Waffen. Ich könnte rüberschwimmen – da, zu dem Kaperfahrer. Er ist noch nicht überflutet, und ich sehe eine Menge Wrackteile.«
Karsa spürte das Zögern des Daru. »Was ist los? Warum schwimmst du nicht?«
»Äh, ich bin ein bisschen besorgt, mein Freund. Ich habe wohl nicht mehr viel Kraft, und diese Ketten …«
Der Teblor sagte einen Augenblick lang nichts, dann brummte er. »So sei es denn. Mehr kann man nicht von dir verlangen, Torvald Nom.«
Der Daru drehte sich langsam um und musterte Karsa. »Höre ich da etwa Mitleid, Karsa Orlong? Hat dich die Hilflosigkeit so weit getrieben?«
»Du machst viel zu viele leere Worte, Tiefländer«, sagte der Teblor seufzend. »Man kriegt keine Geschenke, wenn man – «
Ein sanftes Platschen ertönte, gefolgt von Spucken und Spritzen – und dann wurde aus dem Spucken ein Lachen. Torvald, der sich nun neben dem Floß befand, kam in Karsas Blickfeld. »Jetzt wissen wir, warum diese Schiffe sich so zur Seite neigen!« Und der Teblor sah, dass Torvald stand; das Wasser schwappte ihm um den Oberkörper. »Ich kann uns jetzt rüberziehen. Das beweist außerdem, dass wir hierher getrieben sind. Und da ist noch etwas.«
»Was?«
Der Daru machte sich daran, das Floß zu ziehen, wobei er Karsas Ketten benutzte. »Diese Schiffe sind alle während eines Kampfs auf Grund gelaufen – ich glaube, ein Großteil der Kämpfe Mann gegen Mann hat zwischen den Schiffen stattgefunden, und die Kämpfer haben dabei bis an die Brust im Wasser gestanden.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil hier überall um mich herum Leichen liegen, Karsa Orlong. Sie stoßen an meine Schienbeine, rollen über den Meeresboden – es ist ein unangenehmes Gefühl, das kann ich dir sagen.«
»Zieh einen hoch. Lass uns die Kämpfer anschauen.«
»Alles zu seiner Zeit, Teblor. Wir sind fast da. Außerdem sind diese Leichen … äh … sie sind ziemlich weich. Auf den Schiffen werden wir möglicherweise welche finden, die besser zu erkennen sind. So«, es gab ein
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