SdG 08 - Kinder des Schattens
untergehenden Sonne dick wie Blut floss.
Forcht deutete darauf. »Da. Das Geschenk.«
Und jetzt konnte auch Trull es sehen. Schwach und dunkel, die verschwommenen Umrisse eines zweihändigen Schwerts mit glockenförmigem Handschutz, die Klinge merkwürdig zerbrochen und fleckig – obwohl dieser Effekt auch der Dicke der es umschließenden Eisschicht geschuldet sein konnte.
»Binadas, webe Emurlahn in Trulls Speer. So viel du kannst – das hier wird viele, viele Schatten beanspruchen.«
Ihr Bruder runzelte die Stirn. »Beanspruchen? Auf welche Weise?«
»Das Eis zu zerschmettern wird sie vernichten. Es braucht Auslöschung, um das Geschenk freizulegen. Und erinnere dich daran – schließe keinesfalls deine ungeschützte Hand um den Griff, wenn die Waffe freigelegt ist. Und halte die Gespenster davon ab, dasselbe zu versuchen, denn versuchen werden sie es. Voll verzweifelter Entschlossenheit.«
»Was für eine Art von Schwert ist das?«, flüsterte Trull.
Forcht antwortete nicht.
»Wenn wir diesen Sparren zerschmettern müssen«, sagte Binadas einen Augenblick später, »dann sollten alle anderen ein bisschen Abstand zu mir und Trull halten.«
»Uns wird nichts geschehen«, sagte Forcht. »In dieser Hinsicht war Hannan Mosags Vision eindeutig.«
»Und wie weit reicht diese Vision, Bruder?«, fragte Trull. »Hat er auch unsere Heimreise gesehen?«
Forcht schüttelte den Kopf. »Nur bis zum Zerschmettern, bis das letzte Stückchen Eis fällt. Nicht weiter.«
»Ich frage mich, warum?«
»Dies ist nicht der rechte Zeitpunkt für Zweifel, Trull«, wies ihn Forcht zurecht.
»Ach, nein? Mir scheint, als wäre dieser Zeitpunkt genau der richtige für Zweifel.«
Seine Brüder blickten ihn an.
Trull schaute weg. »Es fühlt sich falsch an.«
»Hast du deinen Mut verloren?«, schnappte Rhulad. »Wir sind bis hierher gegangen, und jetzt kommst du uns mit deinen Zweifeln?«
»Was für eine Art Waffe ist dieses Geschenk? Wer hat sie gemacht? Wir wissen nichts über das, was wir da gleich befreien werden.«
»Unser Hexenkönig hat uns einen Befehl erteilt«, sagte Forcht, dessen Gesicht sich verdüsterte. »Was sollen wir deiner Meinung nach tun, Trull?«
»Ich weiß es nicht.« Er wandte sich an Binadas. »Gibt es denn keine Möglichkeit, dem Ding sein Geheimnis zu entlocken?«
»Ich nehme an, dass ich mehr wissen werde, wenn wir das Schwert aus dem Eis befreit haben.«
Forcht grunzte. »Dann fang an, Binadas.«
Sie wurden von einem Schrei unterbrochen. Theradas hatte ihn ausgestoßen. »Ein Wolf!«, rief er und deutete nach Süden.
Das Tier war mit seinem weißen Fell im Schnee kaum auszumachen, wie es da reglos tausend oder mehr Schritt entfernt stand und sie beobachtete.
»Verliert keine Zeit mehr«, trieb Forcht Binadas an.
Schatten strömten von der Stelle aus, an der Binadas stand, blaue Flecken, die über den Schnee krochen, sich den Schaft des Schwarzholzspeers in Trulls Hand hinaufwanden und schließlich in das glänzende Holz einzusickern schienen. Durch seine dicken Pelzhandschuhe fühlte sich die Waffe nicht anders an als vorher, doch Trull war es, als hörte er etwas neues, ein klagendes Geräusch, das in seinen Knochen nachzuhallen schien. Es fühlte sich an wie Entsetzen.
»Nicht mehr«, keuchte Binadas.
Trull warf seinem Bruder einen Blick zu, sah sein blasses Gesicht, die Schweißtropfen auf seiner Stirn. »Sie widersetzen sich?«
Binadas nickte. »Sie wissen, dass sie sterben werden.«
»Wie können Gespenster sterben?«, wollte Rhulad wissen. »Sind sie nicht schon Geister? Die Geister unserer Vorfahren?«
»Nicht unserer Vorfahren«, erwiderte Binadas, doch er ging nicht weiter darauf ein, sondern gab Trull ein Zeichen. »Führe einen Stoß gegen das Eis, Bruder.«
Trull zögerte. Er warf einen Blick über seine linke Schulter, suchte die Ebene ab, bis er den weit entfernten Wolf fand. Das Tier hielt den Kopf gesenkt und hatte die Beine unter den Körper gezogen.
»Tochter Duster«, flüsterte er, »es wird Zeit anzugreifen.« Unten auf der Ebene machten Theradas und Midik ihre Speere bereit.
»Jetzt, Trull!«
Forchts Gebrüll erschreckte ihn, so dass er beinahe den Speer fallen gelassen hätte. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte er erneut auf den Sparren und stieß dann die eiserne Speerspitze gegen das Eis.
Noch während die Waffe vorwärts schnellte, nahm Trull aus den Augenwinkeln an allen Seiten Bewegung wahr, als Gestalten sich direkt aus dem Schnee zu erheben
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