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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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Theradas wieder einmal an der Spitze setzten sie sich in Bewegung.
    Eis knirschte unter ihren Füßen, dazu kam das Zischen und Klappern der mit Geweihen eingefassten Schlittenkufen, und ein zischendes Geräusch, das ebenso aus der Nähe wie aus der Ferne zu kommen schien, als wäre die Stille selbst hörbar geworden, ein Geräusch, das – wie Trull schließlich klar wurde – das Rauschen seines eigenen Blutes war, eingewoben in den Rhythmus seiner Atemzüge und seines Herzschlags. Das grelle Licht brannte ihm in den Augen. Seine Lunge schmerzte bei jedem Atemzug.
    Die Edur gehörten nicht in diese Landschaft. Die Feste des Eises. Gefürchtet von den Letherii. Räuber des Lebens – warum hat Hannan Mosag uns hierher geschickt?
    Theradas blieb stehen und drehte sich um. »Wolfsspuren«, sagte er, »schwer genug, um durch die Schneekruste zu brechen.«
    Sie erreichten ihn, hielten die Schlitten an. Trull schob das Geschirr von seinen schmerzenden Schultern.
    Die Spuren kreuzten ihren Weg, führten weiter nach Westen. Sie waren sehr groß.
    »Diese Spuren stammen von einer Kreatur wie derjenigen, die wir letzte Nacht im Eis gesehen haben«, sagte Binadas. »Was jagen sie? Wir haben nichts gesehen.«
    Forcht grunzte. »Das hat nicht viel zu bedeuten, Bruder. Wir sind nicht gerade leise Reisende mit diesen Schlitten.«
    »Und wenn schon«, erwiderte Binadas. »Herden hinterlassen Spuren. Wir hätten längst auf welche stoßen müssen.«
    Sie setzten ihre Reise fort.
    Kurz nach Mittag ließ Forcht sie Halt machen, damit sie eine weitere Mahlzeit zu sich nehmen konnten. Die Ebene aus Eis erstreckte sich flach und ohne jegliche Konturen in alle Richtungen.
    »Es gibt nichts, worüber wir uns hier draußen Sorgen machen müssten«, sagte Rhulad, der auf einem der Schlitten saß. »Wir können jeden sehen, der kommt – oder alles, was kommt. Sag uns, Forcht, wie viel weiter werden wir noch gehen? Wo ist dieses Geschenk, dass wir für Hannan Mosag finden sollen?«
    »Noch einen weiteren Tagesmarsch nach Norden«, erwiderte Forcht.
    »Wenn es denn tatsächlich ein Geschenk ist«, sagte Trull, »von wem stammt es?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Einige Zeit lang sagte niemand ein Wort.
    Trull musterte den harten Schnee zu seinen Füßen, und sein Unbehagen vertiefte sich. Etwas Verhängnisvolles hing in der stillen, eisigen Luft. Dass sie so einsam und allein waren, wirkte plötzlich bedrohlich, dass nichts und niemand um sie herum war, wie ein Versprechen unbekannter Gefahren. Dabei war er hier doch unter seinen Blutsverwandten, unter Hiroth-Kriegern. Genau.
    Dennoch – warum stinkt dieses Geschenk nach Tod?
     
    Eine weitere Nacht. Die Zelte wurden aufgebaut, Essen gekocht und dann die Wachen eingeteilt. Trull hatte die erste. Den Speer in der Hand schritt er am Rand ihres Lagers entlang, wieder und wieder im Kreis herum, um sich wach zu halten. Das Essen in seinem Bauch machte ihn schläfrig, und die schiere Leere der Eisöde schien eine Macht auszustrahlen, die die Konzentration schwächte. Am Himmel über ihm zogen seltsame, sich verändernde Farben dahin, die in unverbundenen Mustern stärker und schwächer wurden. Er hatte solche Dinge schon zuvor gesehen, in den Landen der Hiroth im tiefsten Winter, doch niemals so deutlich, niemals so blühend, und sie hatten auch nie ein so merkwürdig zischendes Lied von sich gegeben, wie Glasscherben, die unter Schritten zermalmt werden.
    Als es an der Zeit war, weckte er Theradas. Der Krieger kam aus seinem Zelt und reckte sich, zupfte seinen Fellumhang zurecht, bis er ihn eng einhüllte, und zog dann sein Schwert. Finster starrte er zu dem lebhaften Nachthimmel hinauf, sagte aber nichts.
    Trull kroch ins Zelt. Die Luft im Innern war feucht. An den Zeltwänden hatte sich Eis gebildet, das Landkarten von unbekannten Welten auf den straff gespannten, gewachsten Stoff malte. Von draußen erklangen die gleichmäßigen Schritte von Theradas, der seine Runden drehte. Das beruhigende Geräusch begleitete Trull in den Schlaf.
    Zusammenhanglose Träume folgten. Er sah Mayen nackt im Wald, wie sie sich auf einen Mann hinunterließ und sich dann voller hungriger Lust wand. Er stolperte näher heran, versuchte, das Gesicht des Mannes zu sehen, zu entdecken, wer er war – und stellte stattdessen fest, dass er sich verirrt hatte. Der Wald schien ihm völlig fremd, war nicht mehr wiederzuerkennen, ein Gefühl, das er noch nie zuvor empfunden hatte und das ihn zutiefst erschreckte. Zitternd kniete

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