SdG 08 - Kinder des Schattens
schienen.
Dann zerbarst der Sparren zu blendend weißem Nebel.
Schreie erklangen plötzlich.
Trull spürte ein wildes Zerren an dem Speer in seinen Händen, das Schwarzholz klirrte wie Eisen, als zahllose Gespenster ins Freie gerissen wurden. Ihre Todesschreie hallten durch seinen Schädel. Taumelnd packte er den Speer fester, versuchte, durch die Wolke etwas zu sehen.
Waffen klirrten gegeneinander.
Ein Geweih zuckte auf sein Gesicht zu, jede Sprosse zu einer scharfen Spitze geschliffen, die mit Quarzit bestückt war. Trull wich zurück, brachte den Speerschaft zwischen sich und das Geweih. Hielt es in Schach. Er drehte den Speer, veränderte seinen Griff, und es gelang ihm, den Angreifer zu zwingen, das Geweih loszulassen. Es flog zur Seite davon. Ein aufwärts geführter Hieb mit dem Speer, und Trull spürte, wie die stählerne Spitze durch Haut und Fleisch glitt, an Rippen entlangschrammte, kurz wieder freikam und schließlich hart von unten gegen einen Unterkiefer prallte.
Die Szenerie um ihn herum wurde deutlicher. Sie wurden von Wilden angegriffen – kleinen, tierischen Gestalten, die weiße Felle trugen und deren Gesichter hinter flachen, weißen Masken verborgen waren. Von allen Seiten schwärmten die Jheck heran, schwangen an Klauen erinnernde Geweihe und kurze Stoßspeere mit glitzernden Steinspitzen.
Forcht hielt sich drei vom Leibe, während hinter ihm das Schwert stand, aufrecht und vom Eis befreit, die Spitze in den gefrorenen Boden gerammt. Es schien, als versuchten die Jheck verzweifelt, es zu ergattern.
Trull stieß mit dem Speer nach Forchts nächstem Gegner, und die eiserne Spitze grub sich tief in den Hals des Wilden. Blut spritzte auf und strömte den Speerschaft entlang. Er riss die Waffe gerade noch rechtzeitig los, um den letzten Jheck, tödlich verwundet durch einen Schwerthieb, torkelnd vor Forcht zurückweichen zu sehen.
Noch während Trull herumwirbelte, sah er, wie Binadas unter einer Meute Jheck zu Boden ging. Dann hüllten Schatten die sich windenden Gestalten ein.
Rhulad war nirgendwo zu sehen.
Unten hatten Theradas und Midik den Angriff des Wolfs abgewehrt; von Speeren durchbohrt lag das große Tier auf der Seite. Seine Beine zuckten, während Theradas, den Säbel mit der breiten Klinge in der Hand, an ihn herantrat. Zwei weitere Wölfe näherten sich, und mit ihnen ein halbes Dutzend Jheck.
Ein weiteres gutes Dutzend Wilder kam den Hang herauf.
Trull machte seine Waffe bereit.
Nicht weit von ihm entfernt arbeitete sich Binadas unter einem Haufen Leichen hervor. Er war blutüberströmt und versuchte, seine rechte Seite zu schonen.
»Hinter uns, Binadas«, befahl Forcht. »Trull, an meine linke Seite. Schnell.«
»Wo ist Rhulad?«
Forcht schüttelte den Kopf.
Während Trull sich an die linke Seite seines Bruders begab, musterte er die Leichen, die überall im Schnee verstreut lagen. Doch es waren alles Jheck. Dennoch traf ihn die Überzeugung hart wie ein Schlag gegen die Brust. Sie würden hier alle sterben. Sie würden versagen.
Die Wilden auf dem Hang griffen an.
Geweihe flogen aus ihren Händen, messerscharfe Sprossen blitzten auf, als die tödlichen Waffen auf sie zuschossen.
Trull stieß einen lauten Schrei aus und parierte mit seinem Speer, während er den heranwirbelnden Wurfgeschossen auswich. Eines durchbrach seine Verteidigung, und eine Geweihsprosse verpasste ihm einen tiefen Schnitt ins linke Knie. Er keuchte vor Schmerz auf, spürte, wie das Blut in seinen Beinkleidern nach unten lief. Doch das Bein trug sein Gewicht noch, so dass er aufrecht stehen blieb. Hinter ihren Wurfgeschossen kamen die Jheck herangestürmt.
Ein Dutzend Herzschläge waren die beiden Edur nur damit beschäftigt, sich zu verteidigen, dann fanden sie beinahe gleichzeitig Lücken für Gegenangriffe. Schwert und Speerspitze bohrten sich in Fleisch, und zwei Jheck gingen zu Boden.
Hinter Trull und Forcht ertönte ein Kreischen, und die Wilden schreckten zurück, dann schossen sie wie ein Mann nach rechts – - als Rhulad in ihre Mitte sprang, das lange Schwert mit dem glockenförmigen Handschutz in den Händen.
Ein wilder Hieb, und der Kopf eines Jheck flog von seinen Schultern und hüpfte und kullerte den Hang hinunter.
Ein weiterer Hieb, eine Blutfontäne.
Forcht und Trull stürmten nebeneinander zu den Kämpfenden hin …
… während sich von allen Seiten Speere in Rhulad bohrten. Er kreischte auf, die blutige Klinge schwankte über seinem Kopf. Dann sackte er zusammen.
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