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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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»Vor Euren Augen sind Münzen, Rhulad Sengar. Deshalb könnt Ihr nichts sehen. Ich werde sie wegnehmen. Eure Brüder sind hier. Forcht und Trull. Sie sind hier.«
    Jetzt brachen die Schreie ab, und an ihre Stelle trat ein hilfloses Weinen.
    Trull starrte weiter auf die Szene, als Udinaas etwas tat, was er nicht für möglich gehalten hätte. Der Sklave streckte die Arme aus und nahm Rhulads Kopf in die Hände, wie eine Mutter es mit einem untröstlichen Kind tun mochte. Zärtlich und doch bestimmt hob er den Kopf von den Knien.
    Von Forcht kam ein schluchzendes Geräusch, das schnell wieder abbrach, doch Trull spürte, wie sein Bruder zitterte.
    Das Gesicht – oh, Vater Schatten, das Gesicht.
    Eine wahnsinnige Maske aus Wachs, zersprungen und vernarbt. Und darunter Goldmünzen, mit dem Fleisch verschmolzen – nicht eine hatte ihren Platz verlassen – wie die Schuppenglieder einer Rüstung um den angespannten Kiefer, den weit aufgerissenen Mund herum angeordnet.
    Udinaas beugte sich noch weiter vor und sagte Rhulad leise etwas ins Ohr.
    Worte, die mit einem Schauder beantwortet wurden, einem Krampf, der die Münzen zum Klicken brachte; das Geräusch war hörbar, obwohl es durch das Wachs gedämpft wurde. Ein Fuß kratzte über die Bodenfliesen, die die Plattform umgaben, wurde dichter herangezogen.
    Forcht zuckte in Trulls Griff, doch Trull hielt ihn weiter fest, hielt seinen Bruder zurück, als Udinaas an seinen Gürtel griff und ein Arbeitsmesser herauszog.
    Ein rhythmisches, fast schon musikalisches Flüstern. Der Sklave hob das Messer. Setzte die Klinge knapp unterhalb der Spitze am Rand der Münze an, die Rhulads linkes Auge bedeckte.
    Das Gesicht zuckte, aber Udinaas legte seinen rechten Arm darum, wie in einer Umarmung, beugte sich noch näher heran, murmelte dabei unablässig weiter. Druck mit der Schneide, eine winzige Bewegung, und dann ein Aufblitzen, als die Münze sich löste. Einen Augenblick später fiel sie zu Boden.
    Das Auge war geschlossen, das Gewebe darum herum zerfetzt und rot. Rhulad musste versucht haben, es zu öffnen, denn Udinaas legte zwei Finger auf das Lid, und Trull sah, dass er den Kopf schüttelte, während er etwas sagte und es dann noch einmal wiederholte.
    Ein merkwürdiges Zucken von Rhulads Kopf. Es dauerte einen Moment, bis Trull begriff, dass das ein Nicken gewesen war.
    Udinaas nahm jetzt das Messer in die andere Hand, setzte die Schneide an Rhulads rechtem Auge an.
    Von draußen drangen die Geräusche einer großen Menschenmenge herein, doch Trull drehte sich nicht um. Er konnte den Blick nicht von dem Letherii und seinem Bruder abwenden.
    Er war tot. Daran hatte es keinen Zweifel gegeben. Nicht den geringsten.
    Der Sklave, der einen Tag und eine Nacht an Rhulad gearbeitet hatte, der tödliche Wunden mit Wachs gefüllt und Münzen in kaltes Fleisch gebrannt hatte, der dann gesehen hatte, wie sein Schützling wieder zum Leben erwacht war, kniete jetzt vor dem Edur; seine Stimme hielt den Wahnsinn im Zaum, seine Stimme – und seine Hände – führten Rhulad ins Leben zurück.
    Ein Letherii-Sklave.
    Vater Schatten, wer sind wir, dass wir so etwas tun?
    Die Münze löste sich.
    Trull zog Forcht mit sich, während er näher herantrat. Er sprach nicht. Noch nicht.
    Udinaas steckte das Messer wieder in die Scheide. Er lehnte sich zurück, zog auch eine Hand weg und legte sie auf Rhulads linke Schulter. Dann drehte der Sklave sich um und blickte zu Trull auf.
    »Er ist noch nicht bereit zu sprechen. Das Schreien hat ihn erschöpft, was von dem Gewicht der Münzen kommt, die seine Brust umhüllen.« Udinaas stand halb auf, wollte weggehen, doch Rhulads linker Arm raschelte, die Hand löste sich vom Schwertgriff, Münzen klickten, als Finger herumtasteten, schließlich den Arm des Sklaven fanden. Und festhielten.
    Udinaas lächelte beinahe – und zum ersten Mal sah Trull die Erschöpfung des Mannes, sah ihm an, was er durchgemacht hatte – und setzte sich erneut. »Eure Brüder, Rhulad«, sagte er. »Trull und Forcht. Sie sind jetzt hier, und sie werden sich um Euch kümmern. Ich bin nichts als ein Sklave …«
    Zwei Münzen fielen zu Boden, als Rhulad seinen Griff verstärkte.
    »Du wirst hier bleiben, Udinaas«, sagte Trull. »Unser Bruder braucht dich. Wir brauchen dich.«
    Der Letherii nickte. »Wie Ihr wollt, Herr. Es ist nur … Ich bin erschöpft. I-ich dämmere immer wieder weg und wache vom Klang meiner eigenen Stimme wieder auf.« Er schüttelte hilflos den Kopf. »Ich

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