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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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und dieses Mal würde es kein Entkommen für ihn geben. Trull wirbelte herum, und dann noch einmal, während die riesigen Wölfe sich näher schoben. Das Heulen des Windes erfüllte seine Ohren.
    Er tastete nach einem Dolch – nach irgendetwas –, doch er konnte nichts finden. Seine Hände waren taub vor Kälte, der wirbelnde Schnee brannte in seinen Augen.
    Sie kamen jetzt näher, rückten von allen Seiten heran. Trulls Herz hämmerte. Entsetzen erfüllte ihn, füllte ihn ganz aus, wie ein Ertrinkender von tödlichem Wasser gefüllt wurde, vom Schock des Leugnens, vom plötzlichen Verlust seiner ganzen Kraft und mit ihr jeglichen Willens.
    Die Wölfe griffen an.
    Kiefer schlossen sich um seine Arme und Beine, Fänge bohrten sich durch seine Haut. Er wurde von der Wucht des Angriffs zu Boden gerissen. Ein Wolf schloss das Maul um seinen Nacken. Grässliche mahlende Bewegungen kauten sich durch den Muskel. Knochen brachen. Plötzlich hatte er einen Schwall Blut und Galle im Mund. Er sackte in sich zusammen, war sogar unfähig, sich noch zusammenzurollen, während die Tiere an seinen Armen und Beinen zerrten und ihn in den Bauch bissen.
    Er konnte nichts hören außer dem Heulen des Windes, das immer schriller wurde.
    Trull schlug die Augen auf. Er lag ausgestreckt auf seiner Schlafmatte, durch seine Muskeln wogten Wellen aus Schmerz – und eine geisterhafte Erinnerung an scharfe Zähne.
    Und er hörte einen Schrei.
    Forcht tauchte im Eingang auf; seine Augen waren rot gerändert, und er blinzelte verwundert. »Trull?«
    »Es kommt von draußen«, erwiderte er und mühte sich schwerfällig auf die Beine.
    Sie gingen hinaus und sahen Gestalten hin und her rennen, aber alles sammelte sich beim Haus der Toten.
    »Was ist da los?«
    Trull schüttelte zur Antwort den Kopf. »Vielleicht Udinaas …«
    Sie setzten sich in Bewegung.
    Zwei Sklaven torkelten aus dem Eingang des Gebäudes und stürzten in panischer Angst davon; einer schrie die ganze Zeit wirres Zeug.
    Die Brüder beschleunigten ihre Schritte.
    Trull sah die Freisprecherin der Letherii und ihren Kaufmann auf der Brücke; Gestalten rannten an ihnen vorbei, während sie langsam, zögernd näher kamen.
    Die Schreie hatten nicht aufgehört. Schmerz klang aus diesen Schreien, Schmerz und Entsetzen. Das Geräusch, das sich Atemzug um Atemzug erneuerte, ließ Trull das Blut in den Adern gefrieren. Er konnte beinah …
    Mayen stand im Eingang, in der weit geöffneten Tür. Hinter ihr war die Sklavin namens Federhexe.
    Keine der beiden Frauen bewegte sich.
    Forcht und Trull erreichten sie.
    Federhexes Kopf fuhr herum. In ihren Augen loderte der Wahnsinn, als sie erst Trull und dann Forcht anstarrte.
    Forcht trat an die Seite seiner Verlobten. Er starrte ins Innere des Hauses, und sein Gesicht verzerrte sich bei jedem Schrei. »Mayen«, sagte er, »sorge dafür, dass alle anderen draußen bleiben. Außer Tomad und Uruth und dem Hexenkönig, wenn sie kommen. Trull …« Er sprach den Namen beinahe flehentlich aus.
    Mayen trat zur Seite, und Trull schob sich weiter vor.
    Seite an Seite betraten sie das Haus der Toten.
    Ein Etwas, eine zusammengekauerte Gestalt, von Wachs umgeben wie von einer sich schälenden Haut, die das Glänzen von Goldmünzen enthüllte, hockte am Fuß der steinernen Plattform, den Kopf gesenkt, die Stirn auf den Knien, die Arme um die Schienbeine geschlungen. Doch die Gestalt hielt noch immer das Schwert. Ein Etwas, eine zusammengekauerte Gestalt, die pausenlos Schreie ausstieß.
    Udinaas, der Sklave, stand nicht weit von ihr entfernt. Er hatte einen Kessel mit Wachs in der Hand gehalten. Der lag jetzt zwei Schritte links von dem Letherii auf der Seite und das Wachs hatte sich über Zweige und Stroh ergossen.
    Udinaas murmelte leise vor sich hin. Besänftigende Worte, die die Schreie untermalten. Vorsichtig näherte er sich der Gestalt, Schritt für Schritt.
    Forcht wollte weitergehen, doch Trull packte ihn am Oberarm und hielt ihn fest. Er hatte etwas in diesen Schreien gehört. Sie hatten begonnen, auf die leisen, besänftigenden Worte des Sklaven zu reagieren – widerstrebend zunächst, doch allmählich leiser werdend; und sie klangen jetzt flehender. Wurden wieder und wieder von Schauern reinster Verzweiflung erstickt. Und die ganze Zeit sprach Udinaas weiter.
    Schwester segne uns, das ist Rhulad. Mein Bruder.
    Der tot war.
    Der Sklave kauerte sich langsam vor die entsetzliche Gestalt, und Trull konnte jetzt seine Worte verstehen, als er sagte:

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