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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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seltsam berührt von seinen eigenen Gefühlen. Er verspürte keinen Neid. Nur Trauer über all das, was außerhalb seiner Reichweite lag, und auch immer dort liegen würde. Auf eigenartige Weise kamen ihm mittlerweile die reichen Letherii genauso fern und fremd vor wie die Edur. Er war von ihnen getrennt, und die Kluft war ebenso scharf und absolut wie die hier vor ihm – die zwischen seinem eigenen mitgenommenen Selbst und der goldumhüllten Leiche. Die Lebenden und die Toten, die freudlosen Bewegungen seines Körpers und die vollkommene Reglosigkeit von Rhulad Sengar.
    Er bereitete sich auf seine letzte Aufgabe vor, ehe er den Raum verlassen konnte. Das Wachs war mittlerweile hart genug, um den Leichnam umdrehen zu können. Wenn Rhulads Eltern dieses Haus betraten, würden sie erwarten, ihren Sohn auf dem Rücken liegen zu sehen, praktisch unkenntlich gemacht durch die Münzen und das Wachs. In einen Sarkophag verwandelt, der bereits weit entfernt war und sich auf die Reise in die Schattenwelt begeben hatte.
    Der Abtrünnige soll mich holen, habe ich überhaupt noch genug Kraft dafür?
    Man hatte den Leichnam auf hölzerne Paddel mit geschwungenen Griffen gerollt, die an einem einzigen Hebel befestigt waren. Ein vierfüßiger Firstbalken war kreuzweise unter dem Hebel angebracht und bildete den Angelpunkt. Udinaas richtete sich auf und begab sich zu dem Hebel, nahm das Schwarzholz in beide Hände und ließ das Gewicht seines Oberkörpers darauf sinken. Er zögerte, senkte den Kopf, bis seine Stirn auf den Unterarmen ruhte.
    Das Schattengespenst schwieg; schon seit Tagen hatte er nicht einmal mehr das leiseste Flüstern vernommen. Das Blut des Wyrm schlief. Er war allein.
    Während der gesamten Prozedur hatte er damit gerechnet, unterbrochen zu werden. Damit, dass Hannan Mosag und seine K’risnan in den Raum gestürmt kamen. Um Rhulad die Finger – oder auch die ganzen Hände – abzutrennen. Da Udinaas keine gegenteiligen Anweisungen erhalten hatte, hatte er auch das Schwert mit Wachs umhüllt, leicht angewinkelt, da es bis zu den Oberschenkeln der Leiche reichte.
    Er holte tief Luft und drückte dann den Hebel nach unten. Was den Leichnam ein Stückchen anhob. Risse im Wachs platzten auf, ein verrücktes Netz aus Linien, aber das war zu erwarten gewesen. Und leicht zu beheben. Udinaas drückte fester, schaute zu, wie der Leichnam sich zu drehen begann, auf der Seite zu liegen kam. Das Gewicht des Schwerts besiegte das Wachs, das die Klinge umhüllte, die Spitze sank klickend nach unten auf die steinerne Plattform und zog die Arme mit. Udinaas fluchte leise vor sich hin, blinzelte sich den Schweiß aus den Augen. Plattengroße Wachsstücke waren abgefallen. Doch zumindest waren die Münzen an ihrem Platz geblieben, wie er erleichtert feststellte.
    Er befestigte einen Riemen an dem Hebel, um ihn in dieser Position zu halten, begab sich dann zu dem Leichnam. Während er das Schwert zurechtrückte, schob er das schwere Gewicht in kleinen Stückchen immer weiter, bis sich das Gleichgewicht verschob und der Leichnam auf seinen Rücken plumpste.
    Udinaas wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war. Eine weitere Wachsschicht war nötig, um den Schaden in Ordnung zu bringen. Dann konnte er diesen Alptraum endlich taumelnd hinter sich lassen.
    Ein Sklave brauchte nicht zu denken. Er hatte schließlich Aufgaben zu erfüllen. Zu viele Gedanken krochen durch ihn hindurch, störten seine Konzentration.
    Er wankte zum Herd, um den Kessel mit dem Wachs zu holen.
    Hinter ihm erklang ein merkwürdiges, knackendes Geräusch. Udinaas drehte sich um. Er musterte den Leichnam, suchte nach der Stelle, wo das Wachs gesprungen war. Da, entlang des Kiefers; über dem Mund hatte sich eine breite Spalte gebildet. Er erinnerte sich an das verzerrte Gesicht, das er gesehen hatte, als die Umhüllung abgenommen worden war. Möglicherweise musste er die Lippen zusammennähen.
    Er nahm den Kessel und trat wieder an den Leichnam heran.
    Er sah, wie der Kopf nach hinten ruckte.
    Ein rasselnder Atemzug.
    Und dann schrie der Leichnam auf.
     
    Aus dem Nichts schälte sich langsam eine Szene heraus, und Trull Sengar fand sich einmal mehr inmitten von böigen Winden und dahintreibendem Schnee wieder. Er war umgeben von einem Ring aus dunklen, verschwommenen Gestalten. Bernsteinfarben glühende Augen waren auf ihn gerichtet, Trull griff nach seinem Schwert – und stellte fest, dass die Scheide leer war.
    Die Jheck hatten ihn schließlich gefunden,

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