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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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stündest immer an meiner Seite, und sei es nur, um mich vor dem Stolpern zu bewahren.« Forcht zog die Hand wieder weg und begab sich zu den Schlafzimmern im hinteren Teil des Langhauses.
    Trull starrte ihm hinterher, benommen von diesem Geständnis. Er konnte es kaum glauben. Hat er jetzt das Gleiche getan wie ich – einfach ein paar Worte gesagt, um mich zu trösten ?
    Theradas hatte ihm erzählt, dass sie Kampfgeräusche gehört hatten; wieder und immer wieder waren diese Geräusche trotz Wind und Schneetreiben zu ihnen gedrungen. Sie hatten tierische Schmerzensschreie gehört, und Wolfsgeheul, das von tödlicher Verzweiflung kündete. Sie hatten gehört, wie er die Jheck von ihrer Spur weggeführt hatte. Hatten es gehört, bis die Entfernung ihnen jegliches Wissen über sein Schicksal geraubt hatte. Und dann hatten sie auf die Ankunft des Feindes gewartet – der nie gekommen war.
    Trull hatte die meisten dieser Scharmützel bereits vergessen; in seiner Erinnerung waren sie alle zu einem einzigen Kampf verschmolzen, einem chaotischen Alptraum, in dem die Zeit keine Bedeutung mehr hatte, eingehüllt in den Dunstschleier des Schneetreibens, der von einem sich im Kreis drehenden Wind gedehnt und zerrissen wurde und sich immer enger um ihn wickelte. Gebunden und getragen, als wäre er grundverschieden, getrennt von der Welt. Werden so die grässlichsten Augenblicke der Vergangenheit bewahrt? Trifft diese schmerzerfüllte Abspaltung jeden von uns … Überlebenden? Das Gräberfeld des eigenen Geistes, mit einem Pfad, der sich zwischen den Erdhügeln hindurchwindet, die die schweren Steine ebenso verbergen wie die Höhlen der Dunkelheit mit ihren blutbemalten Wänden und vom Feuer geschwärzten Schlusssteinen – das Kielwasser eines Lebens, verloren unter einem grauen Himmel. Einmal gegangen, konnte dieser Pfad nie mehr beschritten werden. Man konnte nur zurückblicken und Entsetzen verspüren angesichts der Weite und der zügellosen Anhäufung von immer neuen Grabhügeln. Mehr und immer noch mehr.
    Er stand auf und begab sich zu seinem Schlafplatz. Er war müde von dem Gedanken an diejenigen, die von den Edur verehrt wurden und Zehntausende von Jahren gelebt hatten, müde von dem grenzenlosen Entsetzen angesichts all dessen, was hinter ihnen lag, der endlosen Straße von Taten und Bedauern, den Knochen und Lebewesen, die nun Staub und ein Bett für die verrosteten Überreste aus Metall waren. Nichts weiter, denn die Bürde, die ein Leben tragen konnte, war begrenzt, denn das Leben konnte nur voranschreiten, immer nur voranschreiten, wobei dieses Voranschreiten nur wenig mehr erreichte als den Staub hinter sich aufzuwirbeln.
    Mit einem Gefühl von Kummer, den die Verzweiflung bitter gemacht hatte, ließ Trull sich auf die dünn gepolsterte Matratze hinabsinken, legte sich auf den Rücken und schloss die Augen.
    Eine Handlung, die nur dazu diente, seine Phantasie zu entfesseln, so dass Bild um Bild zum Leben erwachte und seinen Kopf mit stummen, aber untröstlichen Schreien füllte.
    Er wich vor dem Angriff zurück, und wie ein Krieger, der sinnlos herumstolperte, bevor er unbarmherzig zuschlug, stürzte er rücklings in seinen Geist und überließ sich dem Vergessen.
    Die Gestalt auf der Steinplatte sah aus wie eine Schicht aus Gold in einem Gebirgsbach, ein unscharfes Schimmern, das vor seinen Augen verschwamm. Udinaas lehnte sich zurück; jetzt erst spürte er die bleierne Schwere seiner erschöpften Muskeln, die sich wie Ketten um seine Knochen schlangen. Der Gestank von verbranntem Fleisch hatte seine Lunge gezeichnet, die Innenseite seines Brustkorbs ausgekleidet und tödliches Gift in seine Adern geträufelt. Sein Körper fühlte sich an wie von Unrat besudelt.
    Er starrte nach unten auf den goldbesetzten Rücken Rhulad Sengars. Das Wachs, das die Gestalt umhüllte, war abgekühlt und wurde mit jedem Augenblick undurchsichtiger.
    Reichtum gehört den Toten – zumindest muss es für einen wie mich so sein. Außerhalb meiner Reichweite. Er überdachte diese Vorstellungen, die Art und Weise, wie sie durch den Nebel in seinem Verstand trieben. Schulden und Armut. Die Grenzen, die das Leben der meisten Menschen bestimmten. Nur ein kleiner Teil aller Letherii verfügte über Reichtümer, konnte sich Ausschweifungen hingeben. Die Welt dieser Menschen war eine abgesonderte Welt, ein unsichtbares Paradies, das von Interessen und Belangen eingerahmt wurde, die allen anderen unbekannt waren.
    Udinaas runzelte die Stirn,

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