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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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heißt sie?«
    »Shurq Elalle.«
    »Nun, es ist zu spät.«
    »Ihr meint, weil sie tot ist? Das weiß ich. Es geht um ihre Vorfahren, versteht Ihr, sie wollen, dass sie nach Hause kommt, in die Krypta. Sie vermissen sie schrecklich, und ein paar von ihnen werden allmählich beunruhigend wütend. Geister können eine Menge Ärger machen – nicht nur Euch und diesem Etablissement hier, sondern auch mir. Begreift Ihr, in welch misslicher Lage ich mich befinde?«
    Die Messerspitze wurde zurückgezogen, und eine kleine, geschmeidige Frau trat um ihn herum, so dass sie nun vor ihm stand. Eng anliegende Seidengewänder in Rosttönen, ein breiter Seidengürtel, der um ihre schmale Taille geschlungen war, Pantoffeln mit nach oben gerichteten Spitzen an ihren winzigen Füßen. Ein süßes, herzförmiges Gesicht mit seltsam übergroßen Augen, die sie jetzt ein wenig zusammenkniff. »Seid Ihr fertig?«
    Tehol lächelte verlegen. »Ihr müsst so was ziemlich oft hören. Tut mir Leid. Seid Ihr zufällig Matrone Delisp?«
    Sie drehte sich um. »Folgt mir. Ich hasse diesen Raum.«
    Zum ersten Mal schaute er sich um. Zwei Schritte breit, vier lang, eine Tür am hinteren Ende, die Wände hinter üppigen Gobelins verborgen, auf denen zahllose Paarungen aller Art dargestellt waren. »Wirkt ziemlich einladend«, sagte er, während er der Frau zu der Tür folgte.
    »Es ist der verbrauchte Geruch.«
    »Verbraucht? Oh ja.«
    »Gerüche des … Bedauerns. Ich hasse diesen Geruch. Ich hasse alles, was damit zu tun hat.« Sie öffnete die Tür und schlüpfte hindurch.
    Tehol und Bagg beeilten sich, ihr zu folgen.
    Das Zimmer dahinter wurde von einer steilen Treppe beherrscht, die einen Schritt hinter der Tür begann. Die Frau führte sie um die Treppe herum in ein plüschiges Wartezimmer mit dick gepolsterten Sofas an den Seitenwänden und einem einzelnen Stuhl mit hoher Lehne vor der hinteren Wand. Sie ging direkt zu diesem Stuhl und setzte sich. »Setzt Euch. Und jetzt – was soll dieses Gerede von Geistern? Ach, ist nicht so wichtig. Ihr wart wie alt, als Ihr Shurq Elalle gezeugt habt – zehn? Kein Wunder, dass sie nie von Euch gesprochen hat. Nicht einmal, als sie noch am Leben war. Sagt mir, wart Ihr enttäuscht, als sie sich für eine Karriere als Diebin entschieden hat?«
    »Aus Eurem Tonfall schließe ich, dass Ihr die Wahrhaftigkeit meiner Aussagen anzweifelt«, sagte Tehol.
    »Welche Frage hat mich verraten?«
    »Aber ich bin nicht ganz so unwissend, wie Ihr glaubt, versteht Ihr? Daher meine Verkleidung.«
    Sie blinzelte. »Eure Verkleidung ist es, als ein Mann in den frühen Dreißigern zu erscheinen, mit einer nassen, schlecht gefertigten Woll …«
    Bagg setzte sich aufrechter hin. »Schlecht gefertigt? Jetzt haltet aber mal …«
    Tehol stieß seinem Diener kräftig den Ellbogen in die Rippen. Bagg ächzte und sank in sich zusammen.
    »Das stimmt«, sagte Tehol.
    »Dann habt Ihr also viel Geld für Zauberei ausgegeben. Wie alt seid Ihr wirklich?«
    »Neunundsechzig … meine Liebe.«
    »Ich bin beeindruckt. Nun denn – Ihr habt von Geistern gesprochen?«
    »Ich fürchte, so ist es, verehrte Dame. Schreckliche Geister. Rachsüchtige Geister, die sich auf kein vernünftiges Gespräch einlassen wollen. Bis jetzt ist es mir gelungen, sie in der Familiengruft einzusperren, aber früher oder später werden sie herauskommen. Und sie werden durch die Straßen ziehen und sich austoben – und ich fürchte, das wird dann für alle Bürger Letheras’ eine Nacht des Grauens werden –, bis sie schließlich hierher kommen. Und dann … nun ja, allein schon der Gedanke daran jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken.«
    »So wie mir jetzt schon ein kalter Schauer über den Rücken läuft, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Aber es stimmt, wir haben hier zweifellos ein Dilemma. Mein ganz spezielles Dilemma ist allerdings eines, mit dem ich mich zugegebenerweise schon ein ganzes Weilchen plage.«
    »Ach?«
    »Glücklicherweise sieht es aus, als würdet Ihr mir eine Lösung bieten.«
    »Ich bin entzückt.«
    Die Frau beugte sich vor. »Oberstes Stockwerk – da oben ist nur ein Zimmer. Sorgt dafür, dass diese verdammte Dämonin von hier verschwindet! Und zwar bevor mir meine anderen Mädchen bei lebendigem Leib die Haut abziehen.«
     
    Die Stufen waren steil, aber gut ausgetreten, das hölzerne Geländer unter ihren Händen ein ununterbrochenes Wogen von liebevoll geschnitzten Brüsten, blank poliert und eingeölt von unzähligen

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