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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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nackt unter einem Wasserstrahl, der aus einer gesprungenen Traufe rann, und werkelte mit trübem Seifenschaum herum, während er ein Klagelied sang, das vor hundert Jahren allgemein beliebt gewesen war. Hausbewohner nutzten den unerwarteten Niederschlag und leerten Nachttöpfe aus den Fenstern, statt sie ein paar Dutzend Schritte weit zum nächsten öffentlichen Abfallloch zu tragen. Das Ergebnis war, dass in einigen Pfützen Dinge herumschwammen und die Ströme in den Rinnen kleine besudelte Inselchen mit sich trugen, die sich da und dort zu kleinen, summenden Flößen verbanden, die gelbbraunen Schleim absonderten.
    Wirklich ein schöner Abend in Letheras, dachte Tehol; prüfend sog er kurz die Luft ein, ehe er einen tiefen Atemzug tat und die Luft mit einem zufriedenen Seufzen wieder ausstieß. Er ging die Straße entlang, bis er zum Quillas-Kanal kam, folgte dann diesem bis zum Fluss. Zu seiner Rechten erhob sich ein Wald aus Masten -Fischerboote, die vertäut worden waren, um das Ende des Sturms abzuwarten. Planen wurden beiseite gezogen, und überall platschte es, da die Mannschaften fieberhaft Wasser schöpften, um noch hinaus aufs offene Meer zu kommen, ehe das Tageslicht verblasste. Nahe einer Mole fischten ein halbes Dutzend Angehörige der Stadtgarde eine Leiche aus dem schlammigen Wasser, während eine Zuschauermenge den Männern mit den Hakenstangen kluge Ratschläge zurief. Über ihnen kreisten die Möwen.
    Tehol kam in Sichtweite des alten Palasts, nahm dann eine Seitenstraße, die vom Kanal wegführte, ging immer weiter auf einer gewundenen, wirren Route, bis er zu dem Gelände mit den Türmen kam. Staubschwaden machten die Luft körnig, als Tehol die niedrige, zusammengefallene Mauer erreichte und über den kleinen, unebenen Hof auf den einen, mitgenommenen Turm starrte, der sich in seiner Bauweise ganz eindeutig von allen anderen unterschied, denn er war rechteckig und nicht rund.
    Die merkwürdigen dreieckigen Fenster waren dunkel, von toten Weinranken überwuchert. Die etwas zurückgesetzte, mit schwarzen Flecken übersäte hölzerne Tür war von Schatten verhüllt. Tehol fragte sich, wie so eine Tür überlebt haben konnte – normales Holz wäre schon vor Jahrhunderten zu Staub zerfallen.
    Er konnte niemanden in dem Hof sehen. »Kessel! Kind, bist du da?«
    Eine kleine, verwahrloste Gestalt trat hinter einem Baum hervor.
    Überrascht sagte Tehol: »Das war ein guter Trick, Schätzchen.«
    Sie kam näher. »Da ist ein Künstler. Ein Maler. Er kommt, um den Turm zu malen. Er will mich auch malen, aber ich bleibe hinter den Bäumen. Das macht ihn sehr wütend. Du bist der Mann, der auf dem Dach seines Hauses schläft. Viele Leute versuchen, dich auszuspionieren.«
    »Ja, ich weiß. Shurq hat mir erzählt, dass du … äh … dich um die Spione kümmerst.«
    »Sie hat gesagt, du könntest vielleicht mithelfen herauszufinden, wer ich war.«
    Er musterte sie. »Hast du Shurq in letzter Zeit gesehen?«
    »Nur einmal. Sie war völlig zurechtgemacht. Ich habe sie kaum erkannt.«
    »Nun, Schätzchen, wir könnten dafür sorgen, dass das auch mit dir gemacht wird, wenn du willst.«
    Ein Stirnrunzeln erschien auf dem schmutzigen, von Schimmelpilzen gesprenkelten Gesicht. »Warum?«
    »Warum? Damit du nicht mehr so auffällst, schätze ich. Würde es dir nicht gefallen, so auszusehen wie Shurq jetzt?«
    »Gefallen?«
    »Denkst du zumindest einmal darüber nach?«
    »In Ordnung. Du siehst freundlich aus. Du siehst aus, als ob ich dich mögen könnte. Ich mag nicht viele Leute, aber dich könnte ich mögen. Darf ich Vater zu dir sagen? Shurq ist meine Mutter. Eigentlich ist sie nicht meine Mutter, aber ich nenne sie so. Ich bin auch auf der Suche nach Brüdern und Schwestern.« Sie machte eine kurze Pause und fragte dann: »Kannst du mir helfen?«
    »Ich werde es versuchen, Kessel. Shurq hat mir erzählt, dass der Turm mit dir spricht.«
    »Nicht mit Worten. Es sind nur Gedanken. Gefühle. Er hat Angst. Da ist jemand im Boden, der helfen wird. Wenn er erst einmal frei ist, wird er uns helfen. Er ist mein Onkel. Aber die Bösen machen mir Angst.«
    »Die Bösen? Wer ist das? Sind die auch im Boden?«
    Sie nickte.
    »Besteht die Möglichkeit, dass sie herauskommen, bevor dein Onkel es tut?«
    »Wenn sie das schaffen, werden sie uns alle vernichten. Mich, Onkel und den Turm. Das haben sie gesagt. Und dass sie alle anderen befreien werden.«
    »Und sind die anderen auch böse?«
    Sie zuckte die Schultern. »Sie

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