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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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ist Loyalität. Das einzige Geschenk, das es seiner Meinung nach wert ist, gegeben zu werden. Zugegeben, sie wurde auf übelste Weise missbraucht, und dabei ist eine neue Liste herausgekommen, die Euer Bruder im Kopf hat und auf der die Namen all jener Männern und Frauen stehen, die ihn verraten haben.« Gerun kippte sein Getränk hinunter und bestellte mit einem Wink ein neues. »Der einzige Unterschied zwischen mir und ihm ist der, dass ich auf meiner Liste Namen durchstreichen kann.«
    »Und was ist«, sagte Brys leise, »wenn der Name des Königs auf Hulls Liste steht?«
    Geruns Blick wurde plötzlich ausdruckslos. »Wie ich schon sagte, ich bin der Einzige, der Namen durchstreicht.«
    »Und warum ist Hull dann bei Buruk dem Bleichen?«
    »Buruk ist kein Mann des Königs, Brys. Ganz im Gegenteil. Ich freue mich schon darauf, ihm endlich einmal zu begegnen.«
    Ein kalter Schauder durchfuhr Brys.
    »Wie auch immer«, fuhr Gerun fort, »Euer anderer Bruder interessiert mich sehr viel mehr.«
    »Tehol? Sagt mir jetzt nicht, dass er auf Eurer Liste steht.«
    Gerun lächelte, entblößte dabei seine schiefen Vorderzähne. »Und wenn ich Euch sagen würde, dass dem so wäre? Aber entspannt Euch, er steht nicht darauf. Noch nicht, jedenfalls. Aber er hat irgendetwas vor.«
    »Das kann ich mir kaum vorstellen. Tehol hat schon vor langer Zeit aufgehört, irgendetwas vorzuhaben.«
    »Das glaubt Ihr.«
    »Ich weiß von nichts, das auf etwas anderes hindeuten könnte, aber mir scheint, Ihr schon.«
    Geruns zweites Getränk kam. »Habt Ihr gewusst«, sagte der Finadd und tauchte einen Finger in die dickflüssige, trübe Flüssigkeit, »dass Tehol immer noch Unmengen von Anteilen besitzt? An Liegenschaften, Lizenzen, kaufmännischen Beteiligungen und Frachtunternehmen? Er hat eine ziemlich gute Fassade errichtet, ausreichend, um sicherzustellen, dass niemand darauf kommt, er könnte immer noch aktiv sein.«
    »Aber mir scheint, sie war doch nicht gut genug.«
    Gerun zuckte die Schultern. »In vielerlei Hinsicht ist Tehol den Weg des Königlichen Freibriefs lange vor mir gegangen – ohne die offizielle Billigung.«
    »Tehol hat niemals irgendjemanden getötet …«
    Geruns Lächeln bekam etwas Wildes. »Brys, an dem Tag, an dem die Burse zusammengebrochen ist, hat ein knappes Dutzend Finanziers Selbstmord begangen. Und der Zusammenbruch war einzig und allein Tehols Werk. Zu einem perfekt, ja, in der Tat brillant berechneten Zeitpunkt. Er hatte seine eigene Liste, nur hat er ihnen kein Messer in die Kehle gestoßen; stattdessen hat er sie alle zu Geschäftspartnern gemacht. Und sie samt und sonders in den Ruin getrieben …«
    »Aber er hat sich dabei auch ruiniert.«
    »Aber er hat sich deswegen nicht umgebracht, oder? Hat Euch das nicht stutzig gemacht? Nun, das hätte es tun sollen.«
    »Nur, dass es ihm nichts ausgemacht hat.«
    »Genau. Brys, sagt mir, wer ist Tehols größter Bewunderer?«
    »Ihr?«
    »Nein. Oh, ich bin angemessen beeindruckt. So sehr, dass ich nun, wo er wieder anfängt, im Topf herumzurühren, so misstrauisch bin wie die Grube des Abtrünnigen. Nein, ich meine jemand anderen.«
    Brys schaute weg. Er versuchte, sich darüber klar zu werden, ob er den Mann mochte, der ihm hier gegenübersaß. Ob er ihm sympathisch genug war, um diese Art von Unterhaltung mit ihm zu führen. Er wusste, dass er das Thema hasste.
    Ihr Essen kam.
    Nachdem Gerun Eberict eine dritte Stoßzahnmilch bestellt hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf das gegrillte Filet auf dem silbernen Teller vor ihm.
    Brys kam plötzlich in den Sinn, dass er noch niemals eine Frau gesehen hatte, die dieses besondere Getränk trank.
    »Ich spreche nicht mit Tehol«, sagte er nach einiger Zeit, den Blick auf seinen eigenen Teller gerichtet, während er langsam das weiße Fleisch auseinander zog, die Reihe von Wirbeln und das Rückgrat freilegte.
    »Ihr verachtet, was er getan hat?«
    Brys runzelte die Stirn, schüttelte dann den Kopf. »Nein. Aber das, was er danach getan hat.«
    »Und das wäre?«
    »Nichts.«
    »Das Wasser musst sich erst mal wieder klären, mein Junge. Damit er sich in aller Ruhe erneut umschauen und sehen konnte, was noch übrig war.«
    »Damit deutet Ihr an, dass er ein bösartiger Genius ist, Gerun.«
    »Ja, das tue ich. Tehol hat alles, was Hull nicht hat. Wissen allein reicht nicht. Niemals. Es geht um die Fähigkeit, etwas aus diesem Wissen zu machen. Und das perfekt zu machen. Zum bestmöglichen Zeitpunkt. Mit

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