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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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zur Rechenschaft ziehen konnte – als Richter und Henker in einer Person. In gewisser Weise bewunderte Tehol den Mann. Das hieß, seine Entschlossenheit, nicht jedoch seine Methoden. Und er bewunderte ihn dafür, dass er sich einen Plan ausgedacht und alles auf eine Karte gesetzt hatte – einen Plan, dessen außerordentliche Kühnheit einem schier den Atem raubte.
    Zweifellos hatte Brys offiziell etwas mit dem Mann zu besprechen. Schließlich war er der Kämpe des Königs.
    Dennoch fand Tehol es beunruhigend. Es war nicht gut, dass sein jüngerer Bruder so vertraut mit Gerun Eberict umging.
    Denn wenn Tehol einen echten Feind besaß, einen Widersacher, der es mit seiner eigenen Klugheit aufnehmen konnte und ihn – wie es schien – an Gemeinheit noch übertraf, dann war das Finadd Gerun Eberict, der Mann mit dem Königlichen Freibrief.
    Und dieser Mann hatte herumgeschnüffelt, hatte Leute unter Druck gesetzt. Daher war es sicherer, davon auszugehen, dass Gerun wusste, dass Tehol nicht so verarmt war, wie die meisten glaubten. Dass er nicht vollkommen … untätig war.
    Und so galt es in diesem zerknitterten, wirren Gobelin eine neue Falte zu berücksichtigen.
    Gerun war unantastbar. Doch das bedeutete nicht, dass er keine Feinde hatte. Zugegeben, er konnte hervorragend mit dem Schwert umgehen, und es war bekannt, dass er über ein Dutzend verschworene, mittels Blut an ihn gebundene Leibwächter verfügte, die ihn beschützten, wenn er schlief. Es ging das Gerücht, sein Anwesen sei uneinnehmbar und verfüge nicht nur über eine eigene Rüstkammer, sondern auch über eine eigene Apotheke mit einem im Haus wohnenden Alchemisten, der sich mit Giften und Gegengiften auskannte, sowie über große Vorratslager und eine unabhängige Wasserversorgung. Alles in allem hatte Gerun buchstäblich für alle möglichen Fälle vorgesorgt.
    Außer dem ganz besonderen, dass ein gewisser Tehol Beddict ihm seine ganze Aufmerksamkeit widmen könnte.
    Manchmal war die einzige Lösung auch die einfachste und naheliegendste. Wenn man Unkraut zwischen den Pflastersteinen sieht … reißt man es heraus.
    »Bagg!«
    Eine schwache Stimme erklang von unten. »Was ist?«
    »Wer hat heute nachmittag Geruns Fliesen für diese Wette gehalten?«
    Der grauscheckige Kopf seines Dieners tauchte in der Dachluke auf. »Das wisst Ihr bereits, denn der Bastard gehört Euch. Turbl. Vorausgesetzt, er ist nicht an einer Herzattacke gestorben – oder hat Selbstmord begangen.«
    »Turbl? Niemals. Ich vermute, der Bursche packt gerade. Für eine überraschende Reise zu den Äußeren Inseln.«
    »Er wird es niemals bis zum Stadttor schaffen.«
    »Was wohl bedeutet, dass Gerun hinter dem armen Kerl her ist.«
    »Wärt Ihr das nicht? Bei dem Ergebnis?«
    Tehol runzelte die Stirn. »Mittlerweile glaube ich, Turbl könnte angesichts des traurigen Zustands seiner Angelegenheiten auch zu dem Schluss gekommen sein, dass Selbstmord eine gute Lösung wäre. Das kommt unerwartet, stimmt, und ist darum nur umso erschreckender. Er hat keine Verwandten, soweit ich mich erinnere. Daher stirbt die Schuld mit ihm.«
    »Und Gerun hat achthundert Stummel verloren.«
    »Es könnte sein, dass er deswegen zusammenzuckt, aber nicht so sehr, dass du es bemerken würdest. Der Mann ist eine Spitze wert, vielleicht auch mehr.«
    »Ihr wisst es nicht?«
    »In Ordnung, ich habe ein bisschen verallgemeinert. Natürlich weiß ich es, bis auf den letzten Stummel. Nein, bis auf das letzte Bürschchen. Jedenfalls habe ich gerade gesagt – oder, genauer, darauf hingewiesen –, dass der Verlust von achthundert Stummeln Gerun nicht sonderlich kränken wird. Im Vergleich zu der Tatsache, dass ihm jemand entkommen ist. Auf dem einzigen Pfad, dem noch nicht einmal Gerun hartnäckig folgen kann – zumindest nicht willentlich. Also muss Turbl Selbstmord begehen.«
    »Ich bezweifle, dass er einwilligen wird.«
    »Nein, vermutlich wird er das nicht. Aber bring die Sache in Gang. Geh runter zu den Strudeln. Besorge uns einen geeigneten Leichnam. Frisch und noch nicht verschrumpelt. Lass dir als Gegenleistung von Turbl zwei oder drei Krüge mit seinem Blut geben …«
    »Was wird es sein? Feuer? Wer bringt sich schon mit Feuer um?«
    »Das Feuer wird die unglückliche Folge einer unbeaufsichtigten Öllampe sein. Unbeaufsichtigt wegen des Selbstmords. Leider ist der Leichnam bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, aber die Schreiber werden beim Blut des Mannes schwören, von dem es stammt. So arbeiten sie

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