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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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Grenzen.«
    »Und vermutlich auch grenzenlos.«
    »Zumindest ein paar Jahre lang. Bis die Außenwelt sich der Innenwelt aufdrängt – dann beginnt der brutale Krieg. Aber wir sind auch nicht zum Mitleid geboren – ungeachtet unserer Blauäugigkeit und unseres süßen Benehmens.«
    »Und du hast frühzeitig erkannt, welchen Krieg du führen musst.«
    Seren zuckte die Schultern. »Mein Feind war nicht die Autorität, auch wenn es vielleicht so ausgesehen haben mag. Es war die Kindheit an sich. Die bedrohlich wirkenden Erwartungen der Erwachsenen, die Gier zu vergeben. Es hat mich krank gemacht …«
    »Weil es ungerecht war.«
    »Das Gefühl eines Kindes für Ungerechtigkeit dient immer ihm selbst, Hull. Ich konnte mich mit einer solchen Empörung nicht hinters Licht führen. Warum reden wir überhaupt darüber?«
    »Weil ich vergessen habe, diese Fragen zu stellen. Damals. Ich glaube, ich war damals selbst noch ein Kind. Alles innen, nichts außen.«
    Sie zog die Brauen hoch, sagte aber nichts.
    Hull verstand es auch so. »Du könntest Recht haben. Mit einigen Dingen, heißt das. Aber nicht, was die Edur betrifft.«
    Der zweite Wagen rollte vorbei. Seren musterte den Mann, der vor ihr stand. »Bist du dir dessen so sicher?«, fragte sie. »Denn ich sehe, dass du von deinen eigenen Bedürfnissen getrieben wirst. Die Edur sind das Schwert, doch die Hand, die es führt, ist deine eigene, Hull. Wo bleibt da das Mitgefühl?«
    »Du täuschst dich, Seren. Ich habe vor, das Schwert zu sein.«
    Das Kältegefühl in ihren Gliedern wurde durchdringender. »Inwiefern?«
    Doch er schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht vertrauen, Seren. Du wirst warten müssen, genau wie alle anderen. Nur eines noch. Stell dich mir nicht in den Weg. Bitte.«
    Ich kann dir nicht vertrauen. Worte, die sie in der Seele schmerzten. Andererseits stand die Frage des Vertrauens auf beiden Seiten des Pfades, oder etwa nicht?
    Der dritte Wagen blieb neben ihnen stehen. Der Vorhang des Türfensters wurde beiseite gezogen, und Buruks totenbleiches Gesicht spähte nach draußen. »Das soll Führung sein? Wer bahnt hier den Weg? Sind wir jetzt dazu verdammt, verloren herumzuwandern? Erzählt mir bloß nicht, Ihr seid wieder ein Liebespaar geworden! Seren, Ihr seht ausgesprochen bedrängt aus. Das ist der Fluch der Liebe – ach, mein Herz weint um Euch!«
    »Das reicht, Buruk«, sagte Seren. Sie wischte sich den Regen aus dem Gesicht und schritt, ohne noch weiter auf Hull zu achten, den Pfad entlang. Die Nerek traten zur Seite, um sie durchzulassen.
    Der Waldweg wurde von Schwarzholzbäumen gesäumt, die gepflanzt worden waren, um den Anspruch der Edur auf dieses Land deutlich zu machen. Raue, mitternachtsschwarze Rinde, die durch die in jeder Furche und jedem Riss der zerklüfteten Oberfläche hängenden Schattengespenster zu alptraumhaften Bildern und geheimnisvollen Schriftzeichen verzerrt worden war. Gespenster, die sichtbar wurden, als sie sich jetzt erhoben, um Seren und diejenigen, die ihr folgten, zu beobachten.
    Es schienen mehr als gewöhnlich zu sein. Ruhelos wogten sie wie schwarzer Nebel zwischen den riesigen Stämmen hin und her. Erst Dutzende, dann Hunderte, die sich auf beiden Seiten des Pfads drängten. Serens Schritte wurden langsamer.
    Sie konnte die Nerek hören, ein leises Seufzen hinter ihr; das Klacken der Wagen wurde langsamer und erstarb, als sie anhielten.
    Hull trat neben sie. »Sie haben eine Armee ausgehoben«, flüsterte er.
    Dunkle Befriedigung schwang in seiner Stimme mit.
    »Sind sie tatsächlich die Vorfahren der Edur?«
    Sein Blick zuckte zu ihr, fiebrig glänzend. »Natürlich. Was sollten sie sonst sein?«
    Sie schüttelte sich. »Bring die Nerek dazu weiterzugehen, Hull. Auf dich werden sie hören. Es sind nur noch zwei Tage, bis …« Und dann verstummte sie.
    Denn eine Gestalt stand auf dem Pfad. Ihre Haut hatte die Farbe von gebleichtem Leinen, und sie war so groß wie die Edur; das Gesicht war nur undeutlich zu erkennen, denn dunkle Striemen zogen sich von oben nach unten, als wäre jemand mit blutigen Fingern über die eingefallenen Wangen gefahren. Eine Erscheinung, denn die tief in ihren Höhlen liegenden Augen, die trüb rot brannten, waren tot. Schimmel hing in Fetzen von der verrotteten Rüstung. Zwei Schwertscheiden, beide leer.
    Gespenster schwärmten um die Füße der Gestalt, als beteten sie sie an.
    Eine Wagentür knirschte; Buruk kam herausgeklettert, in eine Decke gehüllt, die er über den Boden

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