SdG 11 - Die Kochenjäger
leicht zwischen Tür und Rahmen, hob den Riegel. Ein langsamer, ruhiger Stoß ließ die Tür mit einem kaum hörbaren Ächzen der ledernen Angeln ein Stück weit aufschwingen.
Fiedler schlüpfte durch den Spalt, schaute sich in dem dunklen Raum um.
Lautes, tierisches Grunzen und Schnarchen von dem Bettgestell; der Geruch nach abgestandenem Bier hing in der schweren Luft; Fiedler bewegte sich ganz langsam und vorsichtig, legte seine Sammlung von Armbrüsten auf den Fußboden, eine Prozedur, die beinahe dreißig Herzschläge dauerte, doch die überlauten Schnarchgeräusche der Gestalt auf dem Bett änderten sich nicht.
Ohne zusätzliche Lasten kroch Fiedler näher heran. Er atmete langsam und gleichmäßig, bis er direkt über dem zottigen Kopf seines ahnungslosen Opfers war.
Dann begann er einen geflüsterten Singsang: »Deine Geister - wir sind wieder da, um dich nie mehr in Ruhe zu lassen, um dir keinen Augenblick Ruhe zu gönnen. O ja, Tapferer Zahn, ich bin es, Fiedler – tot, aber nicht dahin. Ein Geist, der zurückgekehrt ist, um dich bis zu deinem letzten – «
Die Faust kam aus dem Nichts, und sie traf Fiedler genau in die Magengrube. Jegliche Luft entwich seiner Lunge, und der Sergeant brach rücklings zusammen, sackte zu Boden, wo er sich um den pochenden Schmerz in seinem Bauch zusammenkrümmte -
Während sich Tapferer Zahn aufrichtete. »Das war nicht lustig, Fiedler«, sagte er und blickte auf den Sergeanten hinunter. »Aber dich da auf dem Fußboden liegen und sich winden zu sehen – nun, das ist lustig.«
»Halt den Mund«, keuchte Fiedler, »und besorg mir einen Stuhl.«
Der Hauptsergeant half ihm auf die Beine. Sich schwer auf Tapferer Zahn stützend, richtete Fiedler sich vorsichtig auf, ein Vorgang, der von Stöhnen und zwischen den Zähnen durchpfeifenden Atemzügen begleitet wurde.
»Wirst du es überleben?«
Ein Nicken, und dann schaffte Fiedler es, einen Schritt zurückzutreten. »Na schön, das habe ich wohl verdient – «
»Allerdings«, antwortete Tapferer Zahn.
Sie blickten einander in der Dunkelheit einen Moment lang an – und dann umarmten sie sich. Und sagten nichts.
Einen Augenblick später schwang die Tür hinter ihnen auf. Sie ließen einander los und sahen Gesler und Stürmisch hereinkommen. Ersterer trug zwei Flaschen Wein, Letzterer drei Laibe Brot.
»Beim Atem des Vermummten!« Tapferer Zahn lachte. »Die ganzen alten Dreckskerle kommen nach Hause!«
Während Gesler und Stürmisch ihre Mitbringsel auf einen kleinen Tisch legten, untersuchte Fiedler die Fiedel, die auf seinem Rücken befestigt war. Erfreut stellte er fest, dass sie keinen weiteren Schaden erlitten hatte. Er zog den Bogen heraus, blickte sich um, als Tapferer Zahn eine Laterne anzündete, ging dann zu einem Stuhl und setzte sich hin.
Es dauerte einen kurzen Augenblick, dann starrten die drei anderen Männer ihn an.
»Ich weiß«, sagte Fiedler. »Tapferer Zahn, du erinnerst dich, als ich das letzte Mal gespielt habe – «
»Das war das letzte Mal?«
»Das war es, und seither sind eine Menge Leute gefallen. Freunde. Menschen, die wir gern gehabt haben und die wir nun vermissen, wie Löcher im Herzen.« Er holte tief Luft, ehe er fortfuhr: »Es hat in mir gewartet, hat lange Zeit in mir gewartet. Also, meine alten Freunde, lasst uns ein paar Namen hören.«
Tapferer Zahn setzte sich auf sein Bett und kratzte sich den Bart. »Hab ’nen neuen für dich. Ein Soldat, den ich in dieser Nacht losgeschickt habe und der getötet wurde. Er hieß Gentur. Sein Freund Schandmaul ist auch beinahe gestorben, aber es sieht so aus, als ob die Lady gezogen hätte. Und wir haben ihn rechtzeitig gefunden, um noch etwas tun zu können.«
Fiedler nickte. »Gentur. In Ordnung. Gesler?«
»Kulp. Baudin. Und … ich glaube, auch Felisin Paran – sie hatte überhaupt kein Glück, und wenn sie etwas Gutes erlebt hat, was selten genug der Fall war, nun, dann wusste sie nicht, was sie tun oder sagen sollte.« Er zuckte die Schultern. »Wenn jemand im Innern zu sehr verletzt ist, bleibt ihm oder ihr nur noch, selbst andere zu verletzen. Also, auch sie.« Er machte eine Pause. »Pella, Wahr«, fügte er schließlich hinzu.
»Und Coltaine«, sagte Stürmisch. »Und Duiker. Und die Siebte.«
Fiedler begann das Instrument zu stimmen. »Gute Namen, allesamt. Ich werde noch ein paar hinzufügen. Elster. Igel. Trotter. Und noch einen – noch ohne Namen, aber das macht nichts. Noch einen …« Er verzog das Gesicht.
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