SdG 11 - Die Kochenjäger
»Könnte sein, dass es ein bisschen rau klingt, ganz egal, wieviel Harz ich benutze. Ist egal. Habe ein trauriges Klagelied im Kopf, das raus muss – «
»Nur traurig, Fiedler?«
»Nein, nicht nur. Ich überlasse die schönen Erinnerungen euch - aber ich werde euch dann und wann etwas zuflüstern, um euch zu sagen, dass ich weiß, was ihr fühlt. Und jetzt setzt euch hin - füll die Becher, Gesler – ich nehme an, dies wird jetzt ein Weilchen dauern.«
Und dann begann er zu spielen.
Die schwere Tür am oberen Ende des Wallwegs öffnete sich quietschend, und unter dem Türstock erschienen die Umrisse einer kräftigen, buckligen Gestalt, die zur Seite trat, als die Mandata die Schwelle erreichte. Tavore schritt ins Torhaus, gefolgt von T’amber, dann Faust Tene Baralta. Kalam betrat den muffigen Raum. Die Luft roch auf widerliche Weise süßlich nach Rum.
Der Assassine blieb vor dem Torwächter stehen. »Lubben.«
Die Antwort kam schwer und polternd. »Kalam Mekhar.«
»Viel los heute?«
»Nicht alle benutzen die Tür«, erwiderte Lubben.
Kalam nickte, sagte aber nichts mehr. Er ging weiter, in den Innenhof der Feste. Unter seinen Füßen schiefe Pflastersteine, links von ihm der alte Turm, die eigentliche Feste etwas nach rechts versetzt. Die Mandata hatte den Platz bereits zur Hälfte überquert. Hinter Kalam trennten sich die Männer der Garde aus Unta von der Gruppe und machten sich zu ihren Unterkünften in der Nähe der Nordmauer auf.
Kalam blinzelte zum düsteren Mond hoch. Ein schwacher Wind strich ihm übers Gesicht, warm und trocken, zupfte an den Schweißtropfen auf seiner Stirn. Irgendwo über seinem Kopf quietschte eine Wetterfahne. Der Assassine folgte den anderen.
Zwei Klauen flankierten den Eingang zur Feste – nicht die übliche Wache. Kalam fragte sich, wo die hier residierende Faust und ihre Garnison in dieser Nacht sein mochten. Wahrscheinlich im Keller unter den Lagerhäusern, sinnlos betrunken. Beim Vermummten, da wäre ich zumindest, würde ich in ihrer Haut stecken. Natürlich nicht der alte Lubben. Der bucklige Alte war so alt wie das Tor am oberen Ende des Wallwegs – er war immer da gewesen, schon zu Zeiten des Imperators und sogar, wenn die Gerüchte stimmten, selbst damals, als Mock noch über die Insel geherrscht hatte.
Als Kalam zwischen den beiden Assassinen hindurchging, neigten beide die unter Kapuzen verborgenen Köpfe leicht in seine Richtung. Eine spöttische Anerkennung, schloss er, oder etwas Schlimmeres. Er erwiderte den Gruß nicht, ging weiter in den breiten Korridor.
Eine weitere Klaue hatte sie erwartet, und die Gestalt im Kapuzenumhang führte sie nun zur Treppe.
Zwei Stockwerke hinauf, dann einen Korridor entlang in ein Vorzimmer, wo Tene Baralta seinen Roten Klingen zu warten befahl. Nur Hauptmann Lostara Yil war von diesem Befehl ausgenommen. Es folgten ein paar geflüsterte Anweisungen an zwei weitere Soldaten, die die Faust dann wegschickte. All das beobachtete Tavore mit ausdruckslosem Gesicht, obwohl Kalam versucht war, Baralta wegen dieses Vorgangs, der offensichtlich ein Akt bewusst zur Schau gestellter Unabhängigkeit war, herauszufordern – als ob Tene Baralta sich und seine Roten Klingen von jeder Verbindung mit der Mandata und der Vierzehnten Armee freimachen wollte.
Kurz darauf führte die Klaue sie weiter, durch eine andere Tür, in einen anderen Korridor und diesen dann entlang bis zu einer zweiflügeligen Tür. Das war nicht der Raum, der normalerweise für offizielle Treffen genutzt wurde, wie Kalam wusste. Der hier war kleiner – sofern der Zugang irgendeinen Hinweis gab – und lag in einem Teil der Feste, der nur selten benutzt wurde. Zwei weitere Klauen hielten an dem Eingang Wache, und beide wandten sich um, um die Türen zu öffnen.
Kalam sah, wie die Mandata in den Raum schritt und dann stehen blieb. Genau wie T’amber und Tene Baralta. Neben dem Assassinen stockte Lostara Yil der Atem.
Ein Tribunal erwartete sie, und ihnen gegenüber saßen Imperatrix Laseen, Korbolo Dom – mit den Insignien einer Hohefaust – und ein weiterer Mann, den Kalam nicht erkannte. Mit runden, vollen Gesichtszügen, korpulent und in blaue Seidengewänder gekleidet. Seine Haare waren farblos, kurz geschnitten und eingeölt. Schläfrige Augen betrachteten die Mandata mit der Gier eines Henkers.
Die Tische waren zu einem umgekehrten T zusammengestellt, und drei Stühle erwarteten sie, die hohen Rückenlehnen den Neuankömmlingen
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