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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Hier hockte er sich zufrieden mit seinem Aussichtspunkt hin und wartete. Während die Kette flüsterte und die Ringe klickten.
    Zweitausend wirbelnde Bewegungen später klirrten die Ringe und verstummten dann, gefangen in seiner rechten Faust. Die ganze Zeit hatte er ungeachtet der Dunkelheit den Blick nicht von der westlichen Mündung des Tals gelassen - und jetzt hatte er eine Bewegung gesehen. Er stopfte die Kette mit den Ringen wieder in die Tasche auf der Innenseite seines Hemds und stand auf.
    Und machte sich an den langen Abstieg.
     
    Die Onyx-Magier, diejenigen mit dem reinsten Blut, hatten schon vor langer Zeit aufgehört, gegen die Einschränkungen des Gefängnisses anzukämpfen, das sie für sich geschaffen hatten. Die Vorzeit und die zahllosen Traditionen, die beibehalten wurden, um die Erinnerung an sie lebendig zu halten, waren die Ketten und Fesseln, die sie hinzunehmen gelernt hatten. Sie hinzunehmen, sagten sie, hieß, die Bedeutung von Verantwortung zu begreifen, und wenn so etwas wie ein diesseitiger Gott existierte, dann lautete der Name dieses Gottes für die Bewohner von Andara - die letzten Gefolgsleute des Schwarzen Geflügelten Lords - Verantwortung. Und in den Jahrzehnten seit der Eroberung durch die Letherii war dieser Gott fast so mächtig geworden wie der Schwarze Geflügelte Lord selbst.
    Der junge Bogenschütze, der gerade mal neunzehn Jahre alt war, war nicht der Einzige, der die schwerfälligen, veralteten Methoden der Onyx-Magier ablehnte. Und wie viele seiner Landsleute im ähnlichen Alter - die erste Generation, die in der Verbannung geboren worden war - hatte er einen Namen angenommen, der das ganze Ausmaß seiner Ablehnung erkennen ließ. Der Clan-Name wurde abgelegt und damit auf alle Anklänge an die alte Sprache - sowohl in ihrer allgemein gebräuchlichen Form wie als Dialekt der Priesterschaft - verzichtet. Sein Clan war jetzt der der Verbannten.
    Doch trotz all dieser Gesten der Unabhängigkeit durfte ein direkter Befehl von Ordant Brid, dem Traummeister des Felsens im Onyx-Orden, nicht missachtet werden.
    Und daher hatte der junge Krieger namens Clip von den Verbannten das ewig dunkle Kloster Andara verlassen, war die endlose Felswand hochgeklettert und schließlich ins verhasste Sonnenlicht getreten, um unter den verborgenen Sternen des Tages über Land zu reisen und an einem Aussichtspunkt oberhalb des Hauptpasses anzukommen.
    Die kleine Gruppe von Reisenden, denen er sich nun näherte, waren keine Händler. Sie hatten keine mit Waren beladene Lasttiere bei sich. Und hinter ihnen stolperten auch keine angeketteten Sklaven dahin. Sie ritten letheriische Pferde, doch obwohl mindestens drei von ihnen Letherii waren, wusste Clip, dass dies keine Abordnung des Imperiums war. Nein, die hier waren Flüchtlinge. Und sie wurden gejagt.
    Und mitten unter ihnen schreitet der Bruder meines Gottes.
    Als Clip sich - von den Reisenden immer noch unbemerkt - näher heranschob, spürte er jemanden neben sich schweben. Er schnaubte voller Widerwille. »Ein Sklave der Tiste Edur. Sag mir, kennst du dein eigenes Blut? Wir werden dich losreißen, Geist - etwas, das du schon selbst vor langer Zeit hättest tun müssen.«
    »Ich bin ungebunden«, kam die gezischte Antwort.
    »Dann vermute ich, dass du hinreichend sicher vor uns bist.«
    »Dein Blut ist unrein.«
    Clip lächelte in der Dunkelheit. »Ja, ich bin ein wahrer Kessel aus Ausschuss. Nerek, Letherii - sogar D’rhasilhani.«
    »Und Tiste Andii.«
    »Dann begrüße mich, Bruder.«
    Krächzendes Gelächter. »Er hat dich gespürt.«
    »Habe ich mich angeschlichen, Geist?«
    »Sie haben Halt gemacht und warten auf dich.«
    »Gut. Aber können sie erraten, was ich zu ihnen sagen werde? Kannst du es?«
    »Du bist unverschämt. Dir fehlt es an Respekt. Du wirst gleich Silchas Ruin, der Weißen Krähe, von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen …«
    »Wird er eine Nachricht von seinem verschollenen Bruder mitbringen? Nein? Das habe ich mir gedacht.«
    Noch ein zischendes Lachen. »Seltsamerweise glaube ich, dass du sehr gut zu denen passen wirst, die du gleich treffen wirst.«
     
    Seren Pedac spähte in die Düsternis. Sie war müde. Sie alle waren müde, seit sie nun schon seit Tagen den Pass überquerten - und immer noch war kein Ende in Sicht. Silchas Ruins Bemerkung, dass sich ihnen jemand näherte, brachte sie alle dazu, am sandigen Rand eines Bachs stehenzubleiben, von dem ganze Wolken von Insekten aufstiegen, um über sie

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