Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
mitgespielt hatte.
    Es gab noch andere, die in den Frachträumen anderer Schiffe anderer Flotten angekettet waren, aber woher sie kamen und was sie waren, war größtenteils unerheblich. Das Einzige, was Federhexe immer mehr fasziniert hatte - und zwar im Hinblick auf alle diese armseligen Kreaturen -, war das verwirrende Aufgebot an Göttern, Göttinnen, Geistern und Aufgestiegenen, die sie verehrten. Gebete in einem Dutzend Sprachen, Stimmen, die in eine gewaltige Stille hinausgingen - all diese verlorenen Narren und all die unbeantworteten Rufe nach Erlösung.
    Bei denjenigen, die sich für auserwählt hielten, war die Selbsttäuschung in jener riesigen, chaotischen Welt grenzenlos. Einzigartig unter ihresgleichen, sich unter dem Blick von Göttern sonnend, die sich einen Dreck um sie scherten - als ob sie es jemals tun würden, wo doch in Wirklichkeit jedes unsterbliche Gesicht trotz all seiner besonderen Züge nichts weiter als eine Facette des einen Gesichts war, und dieses eine hatte sich längst abgewandt und kämpfte einen ewigen Kampf gegen sich selbst. Von den Himmeln regnete nur Gleichgültigkeit herab - wie Asche, die in den Augen brannte und die Kehle rau und kratzig machte. In dieser blind machenden Flut lag nichts Nährendes.
    Auserwählt - nun, das war ein Dünkel von beängstigenden Ausmaßen. Entweder sind wir es alle - oder niemand von uns. Und wenn Ersteres der Fall ist, werden wir alle vor dem gleichen Richter stehen, der gleichen Hand der Gerechtigkeit - die Reichen, die Schuldner, der Herr, der Sklave, der Mörder und das Opfer, der Vergewaltiger und die Vergewaltigte, wir alle, also betet kräftig, ihr alle - wenn das denn hilf - und betrachtet euren eigenen Schatten mit Wohlgefallen. Ihrer Ansicht nach war es wahrscheinlicher, dass niemand auserwählt war und dass auf all die Seelen kein Tag des Gerichts wartete. Jeder Sterbliche sah sich einem einzigartigen Ende gegenüber, und das hieß Vergessen.
    Oh, natürlich existierten die Götter, aber keiner von ihnen kümmerte sich einen Deut um das Schicksal der Seele eines Sterblichen, es sei denn, sie konnten diese Seele ihrem Willen unterwerfen, damit sie als ein weiterer Soldat in ihren sinnlosen, selbstzerstörerischen Kriegen diente.
    Was sie selbst betraf, so war sie über diese Gedanken hinaus. Sie hatte ihre Freiheit gefunden, aalte sich im gesegneten Regen der Gleichgültigkeit. Sie würde tun, was sie wollte, und noch nicht einmal die Götter konnten sie aufhalten. Nein, ganz im Gegenteil, die Götter selbst - das schwor sie sich - würden zu ihr kommen. Flehend, auf Knien, in ihr eigenes Spiel verstrickt.
    Sie bewegte sich lautlos, tief in den unterirdischen Gewölben unter dem Alten Palast. Einst war ich eine Sklavin - viele glauben, ich sei es immer noch, aber seht mich an - ich herrsche über diese begrabene Sphäre. Ich allein weiß, wo sich die verborgenen Räume befinden, ich weiß, was mich in ihnen erwartet. Ich beschreite diesen höchst schicksalhaften Pfad, und wenn der richtige Zeitpunkt kommt, werde ich mir den Thron nehmen.
    Den Thron des Vergessens.
    Es war gut möglich, dass Uruth in eben diesem Augenblick nach ihr suchte, die alte Hexe mit ihrem ganzen Getue und Gehabe, der Blasiertheit von tausend eingebildeten Geheimnissen, aber Federhexe kannte alle diese Geheimnisse. Von Uruth Sengar war nichts zu befürchten - ihre Aufmerksamkeit wurde von den Geschehnissen um sie herum in Anspruch genommen. Von ihrem jüngsten Sohn und von den anderen Söhnen, die Pvhulad damals verraten hatten. Von der Eroberung an sich. Die Gesellschaft der Edurfrauen war auseinandergerissen, verstreut; sie gingen dorthin, wo ihre Ehemänner hingeschickt wurden; sie hatten sich mit letheriischen Sklaven, Katzbucklern und Schuldnern umgeben. Sie hatten aufgehört, sich zu sorgen. Jedenfalls hatte Federhexe genug von alledem gehabt. Sie war wieder in Letheras, und genau wie Udinaas, der Narr, floh sie vor den Fesseln; und hier, in den Katakomben des Alten Palasts, würde niemand sie finden.
    In den alten Lagerräumen stapelten sich reichlich Vorräte, die sie in den Tagen vor der langen Reise über die Ozeane stückchenweise hier heruntergeschafft hatte. Sie hatte frisches Wasser, Wein und Bier, Stockfisch und Dörrfleisch sowie Tonkrüge mit eingemachten Früchten. Dazu Bettzeug, zusätzliche Kleidung und mehr als hundert Schriftrollen, die sie aus der Imperialen Bibliothek gestohlen hatte. Geschichtliche Werke über die Nerek, die Tarthenal,

Weitere Kostenlose Bücher