SdG 12 - Der Goldene Herrscher
Krieg wirklich gewonnen hat?«
Er warf ihr einen düsteren Blick zu. »Nein, das tue ich nicht. Wie ich höre, haben Eure Kundschafter keine weiteren Hinweise auf Ahl in diesem Gebiet gefunden. Also wird der Repräsentant den Anspruch der Letherii nun vermutlich auf die übliche Weise festigen?«
Die Atri-Preda nickte. »Außenposten. Festungen, befestigte Straßen. Anschließend werden Siedler folgen.«
»Und danach wird der Repräsentant seine begehrlichen Absichten ausweiten, noch weiter nach Osten.«
»Ganz wie Ihr sagt, Aufseher. Aber Ihr erkennt bestimmt - davon bin ich voll und ganz überzeugt -, dass die neu errungenen Gebiete auch ein Geschenk für die Tiste Edur sind. Das Imperium dehnt sich aus. Ich bin mir sicher, der Imperator wird erfreut sein.«
Dies war Brohl Handars zweite Woche als Gouverneur von Drene. In dieser entlegenen Ecke von Rhulads Imperium gab es nicht viele Tiste Edur - keine hundert -, und nur die drei Mitarbeiter seines Stabs stammten aus seinem eigenen Stamm, den Arapay. Die Landnahme in der Ahldan durch einen inzwischen umfassenden Völkermord hatte schon Vor Jahren begonnen - lange vor dem Einmarsch der Edur -, und wer auf welche Weise gerade im fernen Letheras herrschte, schien im Hinblick auf diesen Feldzug kaum von Bedeutung zu sein. Brohl Handar, der Patriarch eines Clans, der sein Leben der Jagd auf die stoßzähnigen Robben gewidmet hatte, fragte sich - und das nicht zum ersten Mal -, was er eigentlich hier machte.
Der nominelle Oberbefehl als Aufseher beinhaltete anscheinend wenig mehr, als zu beobachten. Die wahre Macht lag in den Händen von Letur Anict, dem Repräsentanten von Drene - er, »der einen hohen Rang im Freiheits-Konsortium bekleidet«, herrschte hier in Wirklichkeit. Das besagte Konsortium war wohl irgendeine Art von Kaufmannsgilde, das hatte er inzwischen herausbekommen, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was denn nun eigentlich so befreiend an der geheimnisvollen Organisation war. Es sei denn, es ging um die Freiheit, zu tun, was immer den Mitgliedern beliebte. Einschließlich des Einsatzes imperialer Truppen, um sich noch mehr Reichtum zu verschaffen.
»Atri-Preda.«
»Ja, Aufseher?«
»Diese Ahl - wehren sie sich? Ich meine nicht so, wie hier und heute. Ich meine - begehen sie Überfälle? Ziehen sie ihre Krieger zusammen, um sich auf den Pfad des allumfassenden Krieges zu begeben?«
Sie machte ein unbehagliches Gesicht. »Nun, Aufseher, was das angeht, gibt es zwei … nun ja, Ebenen.«
»Zwei Ebenen? Was bedeutet das?«
»Eine offizielle … und eine inoffizielle. Es ist eine Frage der Wahrnehmung.«
»Erklärt mir das.«
»Das einfache Volk ist davon überzeugt - und diese Überzeugung wird auch von imperialen Agenten verbreitet -, dass die Ahl sich mit den Ak’ryn im Süden ebenso verbündet haben wie mit den D’rhasilhani und den Königreichen Bolkando und Saphinand - kurz gesagt, mit allen Gebieten, die an das Imperium grenzen -, und dass sie auf diese Weise eine angriffslustige, kriegslüsterne und möglicherweise überwältigende Streitmacht geschaffen haben - die Horde der Bolkando-Verschwörung -, die die gesamten östlichen Gebiete des Imperiums von Lether bedroht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis besagte Horde vollzählig versammelt ist, woraufhin sie sich in Bewegung setzen wird. Folglich dient jeder Angriff des letheriischen Militärs dazu, die Zahl der Krieger zu verringern, die die Ahl stellen können, und darüberhinaus schwächt der Verlust von wertvollem Vieh die Wilden zusätzlich. Einer Hungersnot mag sehr wohl gelingen, was Schwerter alleine nicht scharfen können - den vollständigen Zusammenbruch der Ahl herbeizuführen.«
»Ich verstehe. Und die inoffizielle Version?«
Sie blickte ihn an. »Es gibt keine Verschwörung, Aufseher. Kein Bündnis. Tatsache ist, dass die Ahl sich auch weiterhin untereinander bekämpfen - schließlich schrumpft ihr Weideland. Und sie verachten die Ak’ryn und die D’rhasilhani und sind vermutlich noch niemals irgendjemandem aus Bolkando oder Saphinand begegnet.« Sie zögerte kurz und fuhr dann fort: »Vor zwei Monaten sind wir mit einer Art Söldnerkompanie aneinandergeraten - es gab eine verheerende Schlacht, die Eure Ernennung beschleunigt hat, wie ich vermute. Sie waren vielleicht siebenhundert Mann stark, und nach einem halben Dutzend Scharmützeln habe ich sie mit einer sechstausend Mann starken Truppe verfolgt. In der letzten Schlacht haben wir beinahe dreitausend
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