SdG 12 - Der Goldene Herrscher
zurückriefen.
Während ein Teil der Lanzenreiter abstieg, um dafür zu sorgen, dass es keine überlebenden Ahl geben würde, ritten die anderen los, um die Myrid- und Rodara-Herden aus dem nächsten Tal zu holen.
Atri-Preda Bivatt saß auf dem Rücken ihres Hengstes und hatte allerhand Mühe, das Tier angesichts des schwer in der morgendlichen Luft liegenden Blutgestanks unter Kontrolle zu halten. Neben ihr hockte Brohl Handar, der erst kürzlich eingesetzte Aufseher von Drene aus dem Volk der Tiste Edur, unbeholfen und unbehaglich im ungewohnten Sattel und sah zu, wie die Letherii das Lager systematisch plünderten, Leichen ihrer Kleidung beraubten und schließlich die Messer zogen. Die Ahl flochten ihren Schmuck - größtenteils Gold - in ihre Zöpfe, so dass die Letherii gezwungen waren, ihnen streifenweise die Kopfhaut abzuschneiden, um an die Beute zu kommen. Natürlich war diese Verstümmelung nicht nur rein zweckdienlich, denn sie war auch auf mit Tätowierungen geschmückte Hautflächen ausgeweitet worden - Tätowierungen im besonderen Stil der Ahl, in hellen Farben und oft mit einer Umrandung aus Goldfaden versehen. Diese Trophäen schmückten die runden Schilde vieler Lanzenreiter.
Die eingefangenen Herden gehörten nun Letur Anict, dem Repräsentanten von Drene, und während Brohl Handar zusah, wie Hunderte von Myrids über den Hügel kamen - ihre dicke schwarze Wolle ließ sie wie Felsblöcke wirken, als sie den Hang herunterströmten -, wurde offenbar, dass der Reichtum des Repräsentanten sich soeben beträchtlich vergrößert hatte. Kurz danach kamen die etwas größeren Rodaras, mit blauem Rücken und langem Hals; ihre langen Schwänze peitschen nervös hin und her, und sie schienen einer Panik nahe, was nicht zuletzt an den Kriegshunden lag, die an den Flanken der Herde entlangrannten und immer wieder so taten, als würden sie auf die Tiere losgehen.
Die Atri-Preda stieß den Atem zwischen zusammengebissenen Zähnen aus. »Wo ist eigentlich der Handlanger des Repräsentanten? Die verdammten Rodaras werden gleich in Panik ausbrechen und losstürmen. Leutnant! Bringt die Hundeführer dazu, die Hunde zurückzurufen! Beeilt Euch!« Dann löste sie die Helmriemen, nahm den Helm ab und stülpte ihn über das Sattelhorn. Sie blickte Brohl an. »Da seht Ihr es, Aufseher.«
»Dies sind also die Ahl.«
Sie verzog das Gesicht und blickte weg. »Nach ihren Maßstäben war das hier ein kleines Lager. Um die siebzig Erwachsene.«
»Und trotzdem große Herden.«
Ihr Gesichtsausdruck wurde noch finsterer. »Früher waren sie größer, Aufseher. Viel größer.«
»Dann gehe ich davon aus, dass Ihr mit Eurem Vorhaben, diese Unbefugten zu vertreiben, Erfolg habt.«
»Es ist nicht mein Vorhaben.« Sie schien irgendetwas in seinem Gesicht zu sehen, denn sie fügte rasch hinzu: »Ja, natürlich, ich befehlige das Expeditionskorps, Aufseher. Aber ich erhalte meine Befehle vom Repräsentanten. Und wenn man es genau nimmt, sind die Ahl keine Unbefugten.«
»Der Repräsentant behauptet etwas anderes.«
»Letur Anict bekleidet einen hohen Rang im Freiheits-Konsortium.«
Brohl Handar musterte die Frau mehrere Herzschläge lang, ehe er sagte: »Nicht alle Kriege werden geführt, um Reichtümer und Land zu gewinnen, Atri-Preda.«
»Da kann ich Euch nicht zustimmen, Aufseher. Seid Ihr - die Tiste Edur - nicht in Lether einmarschiert, um der Bedrohung zuvorzukommen, der ihr Euer Land und Eure Reichtümer ausgesetzt saht? Der Assimilierung Eurer Kultur, die das Ende Eurer Unabhängigkeit bedeutet hätte? Ich habe nicht den geringsten Zweifel«, fuhr sie fort, »dass wir Letherii vorhatten, Eure Zivilisation auszulöschen, wie wir es bereits mit den Tarthenal und so vielen anderen Völkern gemacht haben. Und daher war es ein Krieg aus wirtschaftlichen Gründen.«
»Es überrascht mich keineswegs, dass Euer Volk es so sieht, Atri-Preda. Und ich hege ebenfalls keinen Zweifel daran, dass der Hexenkönig genau diese Bedenken gehabt hat. Haben wir Euer Land erobert, um zu überleben? Vielleicht.« Brohl überlegte kurz, ob er mehr sagen sollte, doch dann schüttelte er nur den Kopf und schaute zu, wie vier Kriegshunde auf einen verletzten Hirtenhund losgingen. Das lahmende Tier wehrte sich, aber es konnte der Übermacht nicht lange standhalten und ging rasch zu Boden. Anfangs zuckten seine Beine noch, doch dann wurden sie schlaff, als die Kriegshunde ihm den Bauch aufrissen.
»Aufseher - fragt Ihr Euch manchmal, wer den
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