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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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sterbenden Gräsern, einem wurmzerfressenen Loch in einer jetzt toten Sphäre. Er schob sich von einem Hügelgrab zum nächsten über den Hof und suchte dabei mit übernatürlichen Sinnen. Leer … leer … leer.
    Merkwürdige Insekten liefen vor ihm davon. Mücken tanzten und tollten in Schwärmen um ihn herum, aber sie ließen sich nicht nieder, um sein Blut zu saugen, denn es war faul von Chaos. Das ersterbende Tageslicht zupfte an seinem missgestalteten Schatten, als würde es versuchen, die Bedeutung dieses bösartigen Flecks auf dem mitgenommenen Hof zu ergründen.
    Leer …
    Aber dieses hier war es nicht. Er gestattete sich einen kurzen Augenblick des Frohlockens. Schließlich hatte sich der Verdacht doch noch bestätigt. Der Ort, der tot war … war doch nicht ganz tot. Oh, der Azath war inzwischen nichts weiter als ein lebloser Steinturm, all seine Macht und all sein Wille waren dahin. Aber ein gewisses Maß an Zauberei verweilte, hier, unter diesem übergroßen Erdhügel, der von zerschmetterten Bäumen umgeben war. Kurald, ganz sicher. Galain, vermutlich - der Gestank von Tiste Andii war beinahe greifbar. Rituale des Bindens, ein dicker, verflochtener Strang, um etwas … jemanden … dort unten .,. festzuhalten.
    Hingekauert streckte die Gestalt ihre Sinne aus, und zuckte dann plötzlich zurück, stieß dabei zischend den Atem aus.
    Er hat begonnen, sich zu entwirren! Jemand war hier - und das vor mir! Es kann noch nicht lange her sein. Zauberei, die die Befreiung der eingesperrten Kreatur bewirken sollte. Vater der Schatten, ich muss nachdenken!
    Hannan Mosag verharrte reglos hingekauert am äußersten Rande des Erdhügels. Seine Gedanken rasten.
    Jenseits der Ruinenlandschaft strömte der Fluss dahin, immer weiter bis zum fernen Meer. In seiner Strömung drehten sich ein paar Vinik-Nester träge in kleinen Wirbeln; milchig grüne Eier, noch immer warm von der Hitze des Tages, umschlossen undeutlich sichtbare Umrisse, die sich krümmten und wanden. Sich nach der Geburt, nach dem Licht sehnten.
     
    Mit einer raschen Bewegung hob sie den Kopf. Ihr Mund und ihr Kinn waren mit Blut und ein paar Fetzen eines menschlichen Lungenflügels verschmiert, die jetzt in den offenen Brustkorb ihres Opfers tropften, eines Narren, der - zweifellos den Wahnvorstellungen von Herrschaft und Tyrannei vollkommen erlegen - beschlossen hatte, sie den ganzen Weg vom Oberen Markt bis hierher zu verfolgen. Es war inzwischen eine ziemlich einfache Sache geworden: Eine einsame Frau von hoher Geburt, die sich anscheinend verirrt hatte und sich durch eine Menschenmenge schob, ohne die verschleierten oder gierigen Blicke zu bemerken, die sie auf sich zog. Sie war wie der Köder, den die Fischer benutzten, um hirnlose Fische im Fluss zu fangen. Gewiss, solange sie die Kapuze hochgeschlagen hatte und ihre Arme von schimmernder Seide in der Farbe eines rohen Ochsenherzens bedeckt waren, sie an den Händen elegante Kalbslederhandschuhe trug und dazu enge Beinlinge aus schwarzem Leinen, war es unmöglich, ihre Hautfarbe zu erkennen oder ihre ungewöhnlichen Gesichtszüge. Und trotz des Tiste-Edur-Bluts, das verdünnt durch ihre Adern strömte, war sie keineswegs außergewöhnlich groß, was gut zu ihrer scheinbaren Verletztlichkeit passte, denn es war klar, dass die Besatzer aus dem Volk der Edur viel zu gefährlich waren, um von diesen gewöhnlichen letheriischen Vergewaltigern gejagt zu werden.
    Sie hatte ihn in eine Gasse gelockt, wo sie ihm eine Hand in die Brust gerammt und ihm das Herz herausgerissen hatte. Am liebsten aber mochte sie die Lunge - das saftige, mit Luft angereicherte Fleisch, das noch nicht bitter geworden war von den stinkenden Säften eines gewaltsamen Todes.
    Die Sphäre der Sterblichen war ein herrlicher Ort. Das hatte sie ganz vergessen.
    Aber jetzt war ihre Mahlzeit unterbrochen worden. Jemand war zum Gelände des Azath gekommen. Jemand hatte ihre Rituale erforscht, mit denen sie die bindenden Zauber gelöst hatte, die Silchas Ruin gewoben hatte. Das konnte Ärger bedeuten, und sie war nicht gewillt zuzulassen, dass sich irgendjemand in ihre Pläne einmischte.
    Wahrscheinlich war es der Abtrünnige, dieser Dreckskerl, der überall seine Hände im Spiel hatte. Oder - was noch beunruhigender wäre - Mael, der Ältere Gott. Eine jämmerlich vollgestopfte Stadt, dieses Letheras. Sie hatte nicht die Absicht, hier allzu lange zu verweilen; nicht, dass sie womöglich noch entdeckt und ihre Pläne vereitelt würden.
    Sie

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