Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
sich den Gehaltsabrechnungen entnehmen lassen.«
»Darauf hatte ich gehofft.« Erwartungsvoll musterte King sie.
»Wollen Sie die Unterlagen sofort?«
»Sofort.«
Als Remmy ihm die Akten ausgehändigt hatte, wollte King sich verabschieden, als er plötzlich stutzte.
Er betrachtete »Remmy« Remington Battle, die adrett frisiert und elegant gekleidet in einem kostbaren alten Sessel saß, die Verkörperung einer aristokratischen Dame aus dem alten Geldadel der Südstaaten.
Remmy hob den Blick. »Ist noch etwas?«, fragte sie kühl.
»Hat es sich gelohnt?«
»Was soll sich gelohnt haben?«
»Bobby Battles Ehefrau zu sein. Hat es sich gelohnt, dafür beide Söhne zu verlieren?«
»Wie können Sie es wagen!«, fuhr sie ihn an. »Ist Ihnen nicht klar, dass ich durch die Hölle gegangen bin?«
»Für mich war es auch kein Spaziergang. Warum versuchen Sie nicht, meine Frage zu beantworten?«
»Warum sollte ich?«, hielt sie ihm entgegen.
»Nennen wir es die Huld einer gebildeten, würdevollen Lady.«
»Ihren Sarkasmus können Sie sich sparen.«
»Dann will ich mal Tacheles reden. Bobby junior war Ihr Sohn. Wie konnten Sie ihn verrecken lassen?«
»So war es nicht!«, rief Remmy mit schriller Stimme. »Denken Sie etwa, ich hatte eine Wahl? Glauben Sie, ich hätte meinen Sohn nicht geliebt?«
»Worte kosten nichts, aber Taten sprechen für sich, Remmy. Sie hätte sich bemühen können, sich gegen Ihren Ehemann zu behaupten. Sie hätten ihm sagen können, dass es Ihnen scheißegal sei, woher er Syphilis hatte, aber dass Ihr Sohn in Behandlung müsse. Selbst damals war die Krankheit schon leicht zu diagnostizieren. Hätten Sie dem Jungen Penicillin verabreichen lassen, hätten Sie heute noch beide Söhne. Haben Sie die Sache einmal unter diesem Aspekt betrachtet?«
Remmy setzte zu einer Entgegnung an, verkniff sie sich aber. Sie stellte die Kaffeetasse ab und faltete die Hände im Schoß. »Vielleicht war ich damals innerlich nicht so stark wie heute«, sagte sie schließlich, und King sah Tränen in ihren Augen funkeln. »Aber letzten Endes habe ich dennoch die richtige Entscheidung getroffen. Ich bin mit Bobby bei allen möglichen Fachärzten gewesen.«
»Aber zu spät.«
»Ja«, bestätigte Remmy, deren Stimme nun vollkommen ruhig war. »Dann bekam er Krebs. Und er war längst zu schwach, um diese Krankheit zu besiegen.« Sie wischte ihre Tränen fort und langte nach der Tasse, zog jedoch die Hand zurück und sah stattdessen King ins Gesicht.
»Jeder muss im Leben Entscheidungen treffen, Sean«, fügte sie hinzu.
»Und viele Menschen treffen falsche Entscheidungen.«
Remmy schien eine bissige Antwort geben zu wollen, doch King kam ihr zuvor, indem er ein Foto vom Regal nahm und es ihr hinhielt. Das Bild zeigte Eddie und Bobby als Kinder. Mit einem Ruck fuhr Remmys Hand an ihren Mund, als müsste sie ein Aufschluchzen ersticken. Wieder blickte sie in Kings Gesicht, und nun liefen ihr Tränen über die Wangen. »Als wir geheiratet haben, war Bobby ein ganz anderer Mensch. Vielleicht war es Wunschdenken, an das ich mich geklammert habe – die Hoffnung, dass er eines Tages wieder so wird wie früher.«
King stellte das Foto zurück ins Regal. »Ein Mann, der seinen Sohn sterben lässt, ohne einen Finger zu rühren, ist einen Dreck wert. Ich würde einen solchen Mistkerl eher in die Wüste jagen, als darauf zu warten, dass er zur Vernunft kommt.«
Ohne sich umzuwenden, ging King davon.
Als er das Haus verließ, sah er, dass ein Fahrer Savannahs Gepäck in eine schwarze Limousine lud. Savannah stieg aus dem Wagen und kam zu ihm.
»Gut, dass ich dich noch sehe, bevor ich abreise«, sagte sie. »Ich habe einiges von dem gehört, was du mit meiner Mutter besprochen hast…«
»Offen gestanden, ich weiß nicht, ob ich sie bemitleiden oder verabscheuen soll.«
Savannah starrte auf das Haus. »Sie wollte immer Matriarchin unserer altehrwürdigen Südstaaten-Familie sein. Einer Art Dynastie, verstehst du…?«
»So ganz hat sie es nicht geschafft«, bemerkte King.
Savannah richtete den Blick auf ihn. »Ich glaube, sie hat sich eingeredet, sie hätte es geschafft. In ihrem Innern hat sie meinen Vater gehasst, ihn in der Öffentlichkeit aber zum Idol erhoben. Sie hat ihre Söhne geliebt und sie trotzdem geopfert, um ihre Ehe zu retten. Kann man so etwas begreifen?« Sie wischte sich über die Augen. »Ich weiß nur eins, ich mache mich auf und davon. Ich werde die nächsten zehn Jahre wohl mit dem Versuch
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