Sebastian
streiten uns später. Bleib einfach hier sitzen, während ich die Insel zurück in die Heiligen Stätten versetze. Vorher hat mir wohl die Ruhe dazu gefehlt.«
Er stand auf und verließ den geschützten Mittelpunkt der Insel.
Sie bemerkte es, als er die Insel verschob - nicht, weil sich etwas an der Insel veränderte, sondern an der Resonanz des Landes um sie herum.
Starke Strömungen des Lichts durchzogen die Landschaft zusammen mit einem schmalen Band der Dunkelheit.
Glorianna kämpfte darum, dass ihr die Augen nicht zufielen, kämpfte darum, ihren Verstand wachzuhalten. Die Machtströmungen der Heiligen Stätten und die der Stadt der Zauberer waren das genaue Gegenteil. Eine Strömung beherrschte die Landschaft, aber ein dünnes Netz der anderen blieb, war trotz allem notwendig. Sie wusste, warum sie dieses Netz in den Heiligen Stätten aufrechterhielt. Was hatten die Zauberer davon, die dünnen Fäden des Lichts zu erhalten?
Wenn sie das erst einmal verstanden hätte, wäre sie vielleicht in der Lage, herauszufinden, wie sie dem Weltenfresser entgegentreten konnte … und überlebte. Aber jetzt …
Sie fühlte, wie jemand an ihr zog, ihre Haltung veränderte. Dann küsste Lee ihre Stirn und sagte: »Ruh dich jetzt aus, Glorianna. Schlaf ein wenig.«
Schweißnass und nach Atem ringend - und mit dem Wunsch, dass Sebastian in der schlimmsten Landschaft gelandet war, die es auf dieser Welt gab - humpelte Koltak die letzten Stufen zu Harlands Räumen hinauf. Harland musste da sein. Harland musste es gut gehen, obwohl diese Schlampe versucht hatte, den Rat der Zauberer mit dem Urteil des Herzens anzugreifen.
Es war die reinste Quälerei gewesen, sich auf den Ponywagen zu hieven und zurück in die Stadt zu fahren. Was war mit den Wachen und Fahrern geschehen, die den Rat begleitet hatten? Und wo war der Rat?
Als er die Treppe erklommen hatte, blieb Koltak stehen, um sich auszuruhen.
Die Ordnung musste wieder hergestellt werden - und das schnell. Er war durch Straßen gefahren, auf denen es vor aufgebrachten, verwirrten Menschen wimmelte, die erkannten, dass irgendetwas mit ihnen geschehen war, aber nicht was mit ihnen geschehen war. Wenigstens in den höher gelegenen Teilen der Stadt herrschte ein wenig mehr Ordnung im Chaos. Hier fanden sich hauptsächlich Diener und Hausdamen, die vor den Häusern standen und die Namen vermisster Bediensteter riefen. Nicht, dass auch nur einer dieser Bediensteten antworten würde.
Das Urteil der Herzens.
Koltak schauderte. Wer hätte selbst in seinen wildesten Träumen gedacht, dass eine Landschafferin so mächtig sein könnte, das Urteil des Herzens durch eine ganze Stadt fegen zu lassen?
Mächtig. Aber nicht unbesiegbar. Er hatte es geschafft, sich zu widersetzen und daran festzuhalten, wo er war, anstatt in eine andere Landschaft versetzt zu werden. Wenn er ihr standhalten konnte, waren Harland und der übrige Rat sicher in der Lage gewesen, es ihm gleichzutun.
Koltak blieb stehen und stützte sich schwer auf seine Krücken, als ihm ein Gedanke kam. Natürlich hatten die meisten Mitglieder des Rates sich Belladonnas Angriff widersetzt, und nun gäbe es vielleicht eine freie Stelle, die von einem Zauberer besetzt werden musste, der mit Belladonna gekämpft und ihr widerstanden hatte?
Aufregung trieb ihn eilig den Flur hinunter. Als er Harlands Tür erreichte, stieß er sie auf und ging hinein, erleichtert, den hochgewachsenen Zauberer zu sehen, der am Fenster stand und eine zerknitterte, mit Grasflecken übersäte Roben trug.
»Harland! Ich -«
Was sich vom Fenster abwandte war Harland - und war es doch nicht. Eine menschliche Gestalt … aber kein Mensch. Furcht einflößend, aber doch unwiderstehlich.
Koltaks Herz schlug hart gegen seine Rippen. Er wusste, was er ansah. Er konnte es nur nicht glauben.
Harlands Augen sprühten vor Wut. »Es war noch nicht an der Zeit, unser wahres Gesicht zu zeigen. Es war noch nicht an der Zeit!«
»Wächter der Dunkelheit«, flüsterte Koltak und erkannte im selben Moment, dass selbst diese Äußerung der Erkenntnis ein Fehler gewesen war.
Lächelnd bewegte Harland sich auf ihn zu. »Wir haben uns gut versteckt, nicht wahr? Rechtsbringer. Verteidiger des Lichts. Diejenigen, die bereit sind, die Last der Entscheidung zu tragen, wer es nicht wert ist, in den Landschaften des Tageslichts zu leben. Indem wir das Herz von aller Hoffnung befreit, indem wir glückliche Erinnerungen in etwas Schmerzvolles verwandelt, indem wir das
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