Sechs Brüder wie wir
die von ihren Einfällen ganz begeistert war. „Womit wollt ihr anfangen?“
„Mit den weiß-ß-en Z-zähnen!“, lispelte Jean Fünf, der von seinen erst die Hälfte besaß und dort leichtes Spiel zu haben glaubte.
„Ich hab das Gefühl, uns wird hier ziemlich übel mitgespielt“, murmelte ich, als wir alle am Spülbecken in der Küche standen und uns wie verrückt die Zähne putzten.
„Hast du das Gefühl, ja?“, feixte Jean Eins. „So bescheuerte Spiele hab ich noch nie erlebt!“
„Ich g-gewinne!“, haspelte Jean Fünf und rannte mit dem Mund voller Zahnpasta zu Oma Jeannette.
„Nein, ich!“, brüllte Jean Vier und rannte ihm durch die Zimmerflucht nach.
Weil wir Oma eine Freude machen wollten, haben wir eine Weile so getan, als würden uns ihre Spiele tatsächlich gefallen. Aber bis auf Jean Fünf zogen wir dabei alle ein solches Gesicht, dass sie gar keine Lust mehr hatte, ihre Belohnungen auszuteilen.
Danach machte Jean Eins den Vorschlag, doch einen Wettbewerb zu veranstalten, wer am längsten Fernseh gucken konnte. Oma sagte dazu Nein. Käme gar nicht infrage, dass wir vor stumpfsinnigen Sendungen im Zimmer hockten, wo wir ein ganzes Haus und einen riesengroßen Garten zum Spielen zur Verfügung hatten.
Ab dem Moment kippte die Stimmung …
„Na dann“, murmelte Jean Eins, „bleibt mir wohl keine andere Wahl, als Beschwerde beim Kinderschutzbund einzureichen …“
„Was hast du gesagt?“, fragte Oma Jeannette.
„Nichts“, antwortete Jean Eins.
„Die Weltmeisterschaft der Höflichkeit gewinnst du so jedenfalls nicht“, meinte Oma daraufhin spitz.
„Mir egal“, brummte Jean Eins.
„Wie bitte?“, fragte Oma. „Sag das noch einmal!“
„M-mireg-gal“, stotterte Jean Eins, der auf einmal gelb wie eine Zitrone war, und dann lauter: „Miregal! Das kommt … ähm … aus dem Lateinischen, abgekürzt für miregalis und bedeutet … ähm …“
„Diese Formel wurde von den alten Römern verwendet, wenn sie sich entschuldigen wollten“, erklärte Opa, der in diesem Augenblick vom Einkaufen zurückkam. „Sie haben sie immer dann gebraucht, wenn ihnen ein unbedachtes Wort entschlüpft war. Es bedeutet so viel wie ‚Ich bitte um Verzeihung!‘. Stimmt doch, Jean Eins, oder?“
„Ja, Opa“, sagte Jean Eins hastig, der nicht sehr stolz auf sich wirkte.
Zum Glück hatte Opa Jean auch Latein gelernt, sonst hätte dieser Zwischenfall die Stimmung mächtig verderben können.
„Und jetzt, Jungs“, sagte Opa dann, „wie wär’s, wenn wir einen Wettbewerb veranstalten, wer das größte Steak und die meisten Pommes frites essen kann? Ich habe einen Bärenhunger, ihr nicht auch?“ Er packte seine Einkäufe aus.
„Super!“, brüllten wir alle.
Alle bis auf die Schnarchnase Jean Drei, der sich auf die Karotten gestürzt und schon ein ganzes Dutzend davon geschält hatte, um dort den ersten Preis zu gewinnen.
„Aber vorher“, sagte Opa, „müsst ihr mir helfen, alles aus dem Auto reinzutragen. Ich glaub, ich hab da so ein paar kleine Sachen im Kofferraum, die euch interessieren dürften …“
„Und der Wettbewerb im Karottenschälen?“, rief Jean Drei, der nie irgendwas kapiert.
Im Kofferraum des Renault R4 lagen sechs Päckchen. Eines für jeden von uns, in glänzendes Papier eingewickelt und mit unseren Initialen versehen.
„Ein Lastwagen mit Spielwaren hat das auf der Straße verloren“, sagte Opa Jean mit einem Zwinkern. „Ich dachte mir, die Päckchen sammle ich mal besser auf.“
Opa Jean findet immer die unglaublichsten Geschenke für uns.
Diesmal gab es einen Stoffclown für Jean Sechs, eine Wasserpistole für Jean Fünf, einen Tischtennisschläger für Jean Vier, einen Fußball für Jean Drei, ein Blasrohr, mit dem man Pfeile mit Saugnäpfen verschießen kann, für mich und für Jean Eins das Handbuch für Jungbiber.
„Das ist die neueste Auflage“, sagte Opa Jean. „Man lernt dort, wie man eine Hütte baut, und außerdem findet sich darin eine Anleitung, wie man in sechs Schritten ein liebenswürdigerer Mensch wird.“
„Miregal!“, krähte Jean Fünf, der Opa mit seiner neuen Wasserpistole vollgespritzt hatte.
„Wie bitte?“, fragte Opa.
„Ich ents-schuldige mich“, lispelte Jean Fünf. „Miregal!“
„Das ist lateinisch“, erklärte Jean Vier.
Wir haben uns alle bei Opa bedankt und an diesem Tag richtig darum gestritten, wer den Tisch decken und die Schälchen für den Aperitif vorbereiten durfte.
Später riefen Papa und Mama
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