Sechs Brüder wie wir
wälzen, da griff Mama ein.
„Ab auf euer Zimmer, und zwar sofort!“, rief sie. „Bis zum Abendessen will ich keinen von euch mehr sehen.“
Mit gesenktem Kopf schlichen wir hinaus. Erst Papa und jetzt auch noch Mama, alle waren heute wütend auf uns. Am besten man strich diesen Tag aus dem Kalender.
„Schade“, sagte Jean Eins und ließ sich aufs Bett plumpsen. „Wurde gerade erst so richtig lustig.“
„Das ist mein Kopfkissen“, sagte ich. „Nimm deine Stinkerfüße weg.“
„Du willst wohl, dass ich bei dir meinen geheimen Klammergriff anwende!“, rief Jean Eins.
„Versuch’s ruhig“, antwortete ich. „Ich hab mit François Archampaut Judo geübt, nur damit du’s weißt.“
„Diese Null!“ Jean Eins lachte. „Vor seinem schwarzen Gürtel hab ich keine Angst.“
Wir wälzten uns auf der Bettdecke, dann mischte sich Jean Drei ein und es endete in einer wilden Rauferei.
Das war der Tag mit unserem Spielemarathon.
War ja nett gemeint von Papa, dass er uns die Zeit vertreiben wollte. Aber ich hätte mich lieber allein mit den Tim-und-Struppi-Heftchen und meinen Lieblingsbüchern gelangweilt.
Regentage gibt es während der Sommerferien nicht so oft. Schade, dass ich einen ganzen Nachmittag mit pädagogisch wertvollen Spielen verbringen musste, wo ich einfach nur nichts hätte tun können.
Nach dem Abendessen kam Papa lautlos in unser Zimmer.
Alle haben geschlafen, bis auf mich. Ich hatte meine Taschenlampe herausgeholt und las heimlich noch unter der Bettdecke, das Licht machte da so einen schönen Schein, und dazu knabberte ich ein paar Rosinen.
Ich liebe es, unter der Bettdecke zu lesen, wenn es regnet. Ich habe dann das Gefühl, in einer versteckten Hütte im Wald oder in einem Iglu zu sein, hübsch im Warmen, während draußen der Wind heult und die Regentropfen gegen die Fensterläden trommeln.
Ich konnte gerade noch rechtzeitig die Taschenlampe ausknipsen, als ich Papa ins Zimmer kommen hörte. Er schien nichts gemerkt zu haben, denn er setzte sich zu mir an den Bettrand und war überhaupt nicht wütend.
„Schläfst du, Jean Zwei?“, flüsterte er.
„Ja“, sagte ich. „Das heißt nein …“
„Weißt du“, fuhr Papa fort, „ich hab noch einmal über die Sache mit den Würfeln nachgedacht …“
„Nicht weiter schlimm“, sagte ich. „Du warst sowieso schon pleite.“
„Ich bin mir nicht mehr wirklich sicher, ob die Würfel behindert worden sind.“ Er hüstelte. „Ich glaub, dass du doch Recht gehabt hast …“
„Du hattest deine Brille nicht auf“, sagte ich. „Vielleicht lag’s ja daran.“
„Ja, vielleicht“, meinte Papa. „Aber ich schulde dir noch eine Revanche, mein Großer. Und diesmal setze ich meine Brille auf, versprochen!“
„Einverstanden“, sagte ich.
Er wuschelte durch meine Haare. Dann stand er auf.
„Wie wär’s mit morgen, falls es weiterregnet? Als kleine Maßnahme gegen die Langeweile?“
„Das wirst du noch bedauern“, sagte ich feixend. „Ich zieh dich bis aufs Hemd aus!“
„Abwarten!“, erwiderte Papa. „So leicht kriegst du mich nicht dran. Kommt gar nicht infrage, dass du mich mit deinem bescheuerten Fünfsternehotel reinlegst!“
Und dann haben wir uns alle beide im Dunkeln krumm und buckelig gelacht.
Die Hälfte der Ferien war schon vorbei, als Papa eines Morgens verkündete: „Jungs, ich zähle auf euch. Eure Mutter und ich verreisen für ein paar Tage. Wir müssen uns in Toulon nach einem Haus umsehen. Während unserer Abwesenheit herrscht striktestes Verbot, mit Streichhölzern zu zündeln oder zu nah an den Tümpel heranzugehen!“
Es kommt sehr selten vor, dass Papa und Mama uns allein lassen. Sechs Jungs, sagt Papa immer, das ist wie mit einem Wurf Welpen, die man nicht rechtzeitig ertränkt hat – man kann sie unmöglich alle miteinander woanders unterbringen, es sei denn, man möchte es sich lebenslang mit seinen besten Freunden verderben …
„Macht euch keine Sorgen!“, rief Oma Jeannette und winkte ihnen mit dem Patschhändchen von Jean Sechs nach. „Und genießt euren kleinen Ausflug zu zweit!“
Sie hatte uns wie die Orgelpfeifen vor dem Haus Aufstellung nehmen lassen, alle ordentlich gescheitelt. Sie selbst stand stolz in der Mitte, wie Herr Martel auf meinem Klassenfoto.
„Bist du dir sicher, dass du meine sechs kleinen Teufel wirklich bändigen kannst?“, fragte Mama, die etwas besorgt wirkte.
Sie hatte einen Seidenschal um den Hals geschlungen und in der rechten Hand ihr
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