Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
an den Robotern vorbei, ja?«
»Kommt ja reichlich spät, die Frage«, meinte Nikki.
»Ja, keine Sorge«, versicherte Mavra. »Wenn Nikki an Bord ist, erhalte ich den Code. Posthypnotisch.« Hoffe ich, dachte sie.
»Ich gehe allein hinein«, schlug Renard vor. »Mich verdächtigt Marta nicht.« Er fügte nach einer Pause hinzu: »Sie ist eigentlich auch kein übler Mensch. Wir könnten sie mitnehmen.«
»Wir sind schon mehr, als ich erwartet habe«, gab Mavra zurück.
»Niemand kommt mehr mit. Betäuben Sie sie, wenn ich mich auf den Waffendetektor stürze. Dann steigen Sie ins Schiff. Erledigen Sie die beiden Stewards, wenn Sie können.«
»Kein Problem«, sagte Renard. »Sie sind selbst wie Roboter. Alles, was außerhalb ihrer Erfahrung liegt, bewältigen sie nicht.«
»Die Zeit vergeht«, knurrte Mavra. »Los!«
Sie zählte bis dreißig, nachdem Renard im Terminal verschwunden war, dann ging sie darauf zu, Nikki hinter sich, zog die Pistole und zerschoß den Kontrollkasten am Waffendetektor.
»Jetzt, Nikki! Zur Tür!«
Nikki rührte sich nicht.
»Nein!« sagte sie störrisch. »Nicht ohne meinen Vater!«
Mavra seufzte, drehte sich um und betäubte Nikki mit dem Nagel ihres rechten Zeigefingers.
»He! Wa-«, stieß das Mädchen hervor, dann erstarrte sie und entspannte sich wieder, ohne noch denken zu können.
»Du läufst hinter mir her, so schnell du kannst«, sagte Mavra zu Nikki. »Nicht stehenbleiben, bis ich es sage!« Und damit hetzte sie zum Eingang. Nikki folgte ihr, so gut sie konnte.
»Du wiegst zehn Kilo!« schrie Mavra sie an. »Los jetzt!«
Nikki wurde schneller, und sie lief weitaus behender durch die Tür, als man von ihr hätte erwarten können.
Mavra ließ sich nur eine Sekunde Zeit, einen Blick auf die bewußtlos am Boden liegende Aufseherin zu werfen, dann wandte sie sich Nikki zu.
»Ins Schiff!« befahl sie und drehte sich besorgt um. »Renard!«
Aus dem abseits stehenden Schiff drangen zwei heulende Geräusche, und einen Augenblick später sah sie Renard einen Neuen Harmonisten herauszerren.
»Los, Nikki!« sagte sie, und das Mädchen folgte ihr wie ein dressierter Hund.
Renard schleppte schweratmend die zweite Gestalt heraus und winkte ihnen.
Es war Treligs Privatkreuzer, komplett mit Schlafzimmer, Salon und sogar einer Bar ausgestattet. Renard schnallte Nikki in einem der Sessel des Salons an, während Mavra nach vorne ging. Ein kurzer Strahl aus der Pistole zerstörte das kleine Schloß, und Mavra öffnete die Tür zum Cockpit.
Renard hastete ihr nach und schnallte sich im Copiloten-Sessel an. Mavra war binnen Sekunden an der Arbeit, betätigte Schalter, tastete Anweisungen in den Computer ein und bereitete einen Notstart vor.
»Festhalten!« schrie sie Renard zu, als das Schiff vibrierte. »Es wird rauh!«
Sie drückte auf die Taste ›NS‹, das Raumschiff löste sich und fegte hinauf.
»Bitte den Code«, sagte eine mechanische Stimme freundlich aus dem Lautsprecher. »Den korrekten Code binnen sechzig Sekunden, oder wir zerstören das Schiff.«
Mavra riß verzweifelt den Kopfhörer an sich, versuchte ihn aufzusetzen, aber er war so groß, daß er nicht hielt. Sie schaltete das Mikrophon ein und hielt es an den Mund.
»Code kommt«, sagte sie hinein und verstummte. Los! Los! dachte sie drängend. Nikki ist an Bord, und wir sind unterwegs! Gib mir den verdammten Code!
»Geben Sie um Himmels willen den Code durch!« schrie Renard.
»Dreißig Sekunden«, sagte die Robotwache höflich.
Plötzlich hatte sie ihn. Die Wörter schossen in ihr Gehirn, ganz plötzlich, so sonderbar, daß sie für Augenblicke an der Richtigkeit zweifelte. Sie atmete tief ein.
»Edward Gibbon, Band eins«, sagte sie.
Keine Antwort. Sie hielten gemeinsam den Atem an. Die Sekunden tickten vorbei. Fünf… vier… drei… zwei… eins… null…
Nichts geschah. Renard pfiff durch die Zähne und sank in sich zusammen. Mavra begann zu zittern und konnte eine halbe Minute damit nicht aufhören. Sie fühlte sich völlig ausgelaugt.
Sie saßen stumm da, während sie mit vollem Schub weiterflogen. Endlich drehte Mavra sich dem fremden Mann zu, der wie eine Frau aussah, und fragte ihn fast im Flüsterton: »Renard, wie spät ist es?«
Renard zog die Brauen zusammen und drehte sein Halfter um.
»Zwölf Uhr zehn«, erwiderte er.
Mavra fühlte sich besser. Sie hatten eine große Chance, es rechtzeitig zu schaffen. Wenn Treligs Raumschiff dazu nicht imstande war, gab es überhaupt keine andere
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