Sechseckwelt 03 - Entscheidung in der Sechseck-Welt
selbständiger Organismus. Ich kontrolliere und sehe alles auf diesem Planetoiden. Ich bin die Oberfläche ebenso wie die Unterseite. Und niemand kann mich jemals dazu zwingen, in Zukunft Befehle zu befolgen. Die ganze Welt, das bin ich , Mavra – nicht nur dieser Raum hier. Alles.«
Sie wußte nicht recht, ob sie seine Begeisterung zu teilen vermochte. Niemand soll so viel Macht haben, dachte sie.
»Ich möchte mich auch dafür entschuldigen, daß ich mich nicht früher um dich gekümmert habe, aber meine ganze Energie war davon beansprucht, meinen totalen Zusammenbruch vorzuspiegeln, während ich gleichzeitig meine Service-Moduln benützte, über die ich vorher nie selbständig verfügen konnte, um mich zu reparieren und zu modifizieren. Und jetzt bin ich eine Person, Mavra – ein unabhängiger Organismus.«
»Aber du bist ein kleiner Planet «, sagte sie.
»Na und? Wenn man bedenkt, was für verschiedene Wesen du schon gesehen hast und wie du selbst aussieht, was bedeutet eine Erscheinung mehr? Es ist nicht wichtig, wie jemand aussieht, was er äußerlich darstellt. Es zählt nur, was das Wesen innerlich ist. Das ist doch wohl die Lektion der Sechseck-Welt. Sind die verschiedenen Lebensformen dort nicht einfach übertriebene Beispiele für das, was man in der menschlichen Gesellschaft finden kann? Zu dick, zu dünn, zu klein, zu groß, zu dunkel, zu hell? Denk an den Inhalt, nicht an die Verpackung. Auf der Sechseck-Welt ist es einfacher, nicht? Da rechnet man damit, daß jeder anders aussieht, aber alle, gleichgültig, wie fremdartig sie sein mögen, entstammen denselben markovischen Wurzeln.«
Sie seufzte.
»Mag sein«, sagte sie müde. »Was wirst du jetzt tun? Und wo sind wir überhaupt?«
»Um das zweite zuerst zu beantworten, wir sind in M 51 und kreisen um einen einsamen Stern, ungefähr fünfunddreißig Millionen Lichtjahre von allem entfernt, was denken kann. Ich habe mir die Gegend vor Jahren ausgesucht. Und das andere…« Er schien zu zögern, dann sagte er leise: »Warum bist du nicht mit den anderen gegangen, Mavra? Warum hast du dich entschlossen, zu sterben? Das war doch von Anfang an deine Absicht, nicht wahr?«
»Ja. Die Sechseck-Welt ist nichts für mich. Ich habe meinen Auftrag erfüllt und dafür gesorgt, daß Neu-Pompeii nie mehr in die Hände von Trelig, Yulin und ihresgleichen gerät. Und was blieb? Mein ganzes Leben lang bin ich auf meine Unabhängigkeit stolz gewesen. Zur Sechseck-Welt zurückzukehren, bedeutet, wahllos in etwas anderes verwandelt zu werden, vielleicht in eine wirbelnde Blume, eine denkende Muschel oder einen Wuckl oder einen Ecundaner. Die Wahl liegt nicht bei einem selbst. Und selbst wenn man Glück hat, beschränkt sich das ganze Universum auf die Sechseck-Welt. Man ist eingesperrt. Und die Kom-Welten? Ich wäre eine Weile eine Heldin, aber dann eben die Heldin von gestern, nur noch eine Mißgeburt, eine vierbeinige Frau mit Pferdeschwanz. Keine Freiheit, kein Raumschiff, keine Sterne, keine Selbstbestimmung. Was blieb mir? Selbst das wenige, das ich noch hatte, mein Leben und meine Leistungen, erwies sich als Betrug. Ich gehöre dir nicht. Ich schulde dir nichts, du schuldest mir nichts, das war immer meine Einstellung. Aber die Bettler haben mich damals aufgenommen, weil sie darum gebeten und dafür bezahlt wurden. Derselbe, der das getan hat, schickte mir meinen Mann, damit ich aus dem Hurenhaus herauskam.«
»Aber du warst ihm wichtig«, sagte Obie.
»Das glaube ich – doch es kommt nicht darauf an. Ohne Brazil wäre er nie gekommen. Selbst wenn wir uns zufällig begegnet wären, hätte er mich als ein Barmädchen mehr betrachtet. Ich frage mich jetzt, ob überhaupt etwas wirklich war? Wie oft bin ich davongekommen, weil man von außen eingriff? So vieles lief nach Wunsch. So vieles lief immer nach Wunsch. Kleinigkeiten, große Dinge, aber daraus bestand mein Leben. Selbst du hast mich für deine eigenen Zwecke benützt, und ich habe genau das getan, was du wolltest, während meine Großeltern und Brazils Freund Ortega sich auf der Sechseck-Welt um mich kümmerten.«
»Du unterschätzt dich«, sagte Obie mißbilligend. »Du hast das alles allein geleistet. Gelegenheit ist nicht Leistung. Du hast es geschafft durch Einfallskraft, Entschlossenheit und Mut. Du bist wirklich so gut, wie du einmal geglaubt hast, und du besitzt das Potential, noch viel mehr zu bewirken.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Selbst wenn ich das alles akzeptieren würde,
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