Sechseckwelt 03 - Entscheidung in der Sechseck-Welt
Grenze, gesperrt durch einen Elektrozaun. Er hatte am südöstlichsten Ende angefangen und war über Land und in der Luft an der Grenze entlanggezogen, auf Spuren achtend. Wenig Wuckl lebten in Grenznähe; er konnte es ihnen nicht verdenken, wenn er die bösartige Gesinnung und die brutalen Tischmanieren ihrer Nachbarn bedachte.
Knapp nach der Hälfte des Weges hatte Renard ein größeres Gebiet gefunden, das als Park oder Wildreservat gestaltet war, und im Wald einen kleinen Gebäudekomplex entdeckt. Nicht weit davor stand ein Relaishaus mit den Generatoren und Monitoren für den nahen Zaunbereich. Er war an vielen solchen Stellen gelandet und hatte mit den Wesen gesprochen, die dort tätig waren; alles ohne Erfolg.
Plötzlich sah er einen Wuckl aus dem Relaishaus treten; er hatte seit geraumer Zeit kein solches Gebäude mehr besetzt gefunden und flog deshalb hinunter, um mit dem Geschöpf zu sprechen. Wie bei allen anderen Wuckl öffnete sich auch bei diesem der Schnabel weit, und der Kopf zuckte vor Verwunderung vor und zurück, als das riesige fliegende Pferd niedrig heranflog und landete.
Renard sprang mit seinen dünnen Ziegenbockbeinen aus dem Sattel und ging auf den Wuckl zu, der ihn überragte.
»Guten Tag und Dienst«, rief er, wie er es in Wuckl gelernt hatte. Die Sprache von Wuckl war ohne Geschlecht, obwohl die Bewohner drei hatten.
»Guten Tag auch Ihnen«, erwiderte der Wuckl verwirrt und sah zu Domaru hinüber.
»Ich bin weit umhergezogen auf der Suche nach jemandem, der so aussieht«, sagte Renard und zog eine Fotografie von Mavra heraus, die er von Ortega bekommen hatte.
Der Wuckl griff danach, betrachtete sie und geriet plötzlich in heftige Erregung.
»Was ist?« fragte Renard. »Haben Sie sie gesehen?«
»Z-zwei solche«, stammelte der Wuckl. Es war Toug. »Vor etwa zehnsechs Tagen. Ich habe sie aus dem Zaun geholt.«
»Sie – sie sind doch nicht tot?« stieß Renard hervor.
Der Kopf des Wuckls beschrieb einen Kreis, was Nein bedeutete.
»Ich habe sie zum Wildhüter gebracht. Sie meinen, sie waren – keine – Tiere?«
Renard erschrak.
»Nein – Leute wie Sie und ich, nur in anderer Form.«
»Du meine Güte!« entfuhr es Toug. »Sie müssen sofort mit mir zum Wildhüter!«
Renard griff nach Domarus Zügeln und folgte dem besorgten Wesen.
Tougs Reaktion war nichts im Vergleich zu der des Wildhüters, der, nachdem er alles gehört hatte, begriff, was er getan hatte.
»Die Gehirne habe ich nicht angerührt«, sagte er sofort. »Wenn es keinen dauerhaften Schaden durch die Stromstöße gegeben hat, würde die Konditionierung nach wenigen Tagen nachlassen – sie dient vor allem dazu, ein animalisches Schema zu etablieren oder alte Gewohnheitsmuster zu verändern.«
»Läßt sich das umkehren?« fragte Renard betroffen.
»Mehr oder weniger ja. Eine komplette Serie von Fotografien oder gute Zeichnungen, ja, ich denke schon. Aber nicht mehr ganz genau. Es würde wohl von ihnen abhängen.«
Renard akzeptierte das und empfand für den Wildhüter Mitgefühl. Die Welt war groß und kompliziert und Wuckl sehr abgelegen. Der Veterinär schien von seinen Schuldgefühlen nicht loszukommen.
»Es tut mir so leid«, erklärte er immer wieder. »Ich hatte einfach keine Ahnung.«
Er rief in der Hauptstadt an, um Renard den Weg zu ebnen, und erfuhr zum erstenmal, daß seine beiden Schützlinge geflohen waren.
»Damit mußte man wohl rechnen«, sagte der Wuckl seufzend. »Ich möchte mich dort auch nicht einsperren lassen. Passen Sie auf, ich gebe Ihnen eine Karte, damit Sie den Zoo finden, und Sie können von dort aus weitersuchen. Man hat bereits einen Aufruf erlassen und wird ergänzend bekanntgeben, daß es sich um intelligente Wesen handelt, damit sie nicht noch einmal in die Hände eines Pfuschers fallen. Man wird sie finden.«
Renard zweifelte daran.
»Bisher haben Sie nicht viel Glück gehabt«, meinte er.
»Aber es ging bisher um zwei harmlose Tiere. Jetzt wird die Suche intensiv durchgeführt werden.«
»Wenn sie gefunden werden, unterrichten Sie Botschafter Ortega aus Ulik in Zone«, sagte Renard, »und sorgen Sie dafür, daß sie sofort in das Tor kommen.«
Renard verabschiedete sich. Als er auf Domaru zuging, fiel ein großer Schatten über ihn. Er fuhr herum und schaute hinauf. Eine Yaxa sank auf ihn herab.
Er streckte den Arm aus, um seine elektrische Ladung abzuschießen, aber die Yaxa flatterte mit den Flügeln, wich ein wenig zurück und rief: »Warten Sie! Keine
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