Sechseckwelt 03 - Entscheidung in der Sechseck-Welt
Schwesterschiff lag schon im Hafen. Mavra kannte auch deren Besatzung, aber diese kannte weder die Vorgänge, noch war sie bestochen worden, und sie mochte deshalb für Mavras Absichten nicht so geeignet sein. Die beiden konnten sich im Schiff aber umsehen; in Wuckl war große Ehrlichkeit verbreitet, und man ließ die Luken offen, wenn die Arbeiter Pause machten.
Die Tschangs hätten sich einfach als blinde Passagiere an Bord schleichen können, aber Mavra dachte an etwas Besseres.
Spätnachts schlich sie in das Lagerhaus. Die Güter waren mit großen Karten gekennzeichnet, die an den Kisten befestigt waren. Da am Interhex-Handel so viele Rassen beteiligt waren, trug jede Karte ein Hex-Symbol.
Manchmal wurde auch lebendige Fracht befördert; es gab Käfige von unterschiedlicher Größe und Form, und sie und Joshi suchten sich einen aus. Sie ließ sich von Joshi einsperren und bemühte sich, den Käfig von innen zu öffnen. Es war nicht leicht.
Während sie noch arbeitete, hörten sie ein Geräusch. Der Wachmann machte seine Runde, und Mavra befand sich noch im Käfig. Joshi überlegte kurz, ob er sie herauslassen sollte, fürchtete aber den Lärm und versteckte sich statt dessen hinter Kisten. Mavra blieb nichts anderes übrig, als sich im Schatten zusammenzukauern und den Atem anzuhalten.
Der Wuckl ging auf seinen großen Vogelfüßen langsam vorbei, leuchtete hierhin und dorthin. Der Lichtstrahl kam näher, und Mavra wünschte sich, im Boden versinken zu können, aber die Lampe schwenkte in die andere Richtung, und der Wuckl verließ das Lagerhaus. Sie konnten aufatmen, doch Mavra war tief betroffen. Eingesperrt und hilflos zu sein, war ein ganz neues Gefühl für sie; sie haßte und fürchtete es.
Sie beschäftigte sich wieder mit dem Käfigschloß und grunzte schließlich: »Es geht nicht. Hol mich heraus. Wir versuchen etwas anderes.«
Die Riegel waren mit Joshis flacher Schnauze von außen ohne Mühe zu öffnen, und sie sprang erleichtert hinaus. Nachdem sie sich erholt hatte, suchte sie weiter.
Ein großes Problem bestand darin, daß alles so hoch war und sie so niedrig gebaut waren. Selbst in ihrer alten Gestalt war sie über einen Meter hoch gewesen; jetzt, mit den kürzeren Schweinefüßen, streifte ihr dicker Bauch fast am Boden, und sogar ein gewöhnlicher Tisch erschien als riesiges Hindernis.
Sie fand das Büro des Lagerhausleiters und schaute sich am Boden um. Es war dunkel. Der Lichtschalter hätte ebensogut ein Lichtjahr entfernt sein können, aber sie hatte fast ihr halbes Leben andere Sinne gebrauchen müssen, die jetzt viel geschärfter waren.
Endlich fing sie den Geruch auf; er war unverwechselbar. Sie kroch halb unter einen Schrank und zog einen dicken Fettstift heraus.
Es lag viel Papier herum, und sie fanden ein paar große Blätter. Joshi packte sie mit seinem Maul, während sie den Stift mitnahm.
Im Lauf des nächsten Tages versuchte Mavra in ihrem Versteck unter der Landungsbrücke den Stift im Maul zu halten, während er das Papier mit den Hufen festhielt. Es ging mühsam, und sie mußte immer wieder ansetzen, bis sie eine verständliche Botschaft zustande brachte. Die Schrift war schief und krakelig, aber man konnte sie lesen. In Zeilen, die über das ganze Blatt wanderten, hatte sie niedergeschrieben: ICH BIN MAVRA TSCHANG HELFT MIR NICHTS VERRATEN.
Sie hoffte, daß das genügte.
Jetzt mußten sie warten; das Schiff, das im Hafen lag, fuhr in die falsche Richtung. Für sie kam nur die ›Trader‹ in Frage.
Die Straßen von Hygit waren überfüllt mit Wuckl in allen Größen. Das Rumpeln der Tram, motorisierter Verkehr und alle anderen Geräusche und Erscheinungen zeigten eine Großstadt in einem hoch-technischen Hex an. Das Quartett, das durch eine der Straßen zog, erregte selbst in einer Stadt, die an die seltsamen Lebensformen anlegender Schiffe gewöhnt war, große Aufmerksamkeit.
Vistaru, die auf Domarus Hinterteil saß, murrte: »In einem solchen Ort könnte man eine ganze Armee verstecken.«
Renard, der das große Pferd durch die Menge führte, nickte.
»Es sieht ziemlich hoffnungslos aus, nicht wahr? Aber ich wette, daß sie hier ist. Das ist der einzige Hafen an der Ostküste.«
»Sie wird unten bei den Docks sein«, sagte Wooly. »Es ist vielleicht nicht so aussichtslos, wie ihr meint. Überlegt, wie lang und mühsam eine Reise bis zu dieser Stelle da gewesen ist, und jetzt haben wir aufgeholt. Ich habe das Gefühl, daß die Suche hier enden wird.
Weitere Kostenlose Bücher