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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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griff dieser – als könnte er Gedanken lesen – nach der Hand des Kommissars.
    »Was machen wir jetzt mit ihm?«, fragte Rosa mit einem besorgten Blick auf den Kleinen. »Er hängt sehr an Ihnen, wir müssen uns um ihn kümmern …«
    Eschenbach spürte, wie sich der Druck der Finger in seiner Hand verstärkte. »Auf jeden Fall«, grummelte er. Und wie er es sagte, dachte der Kommissar an das Standardprocedere für solche Fälle. An die studierten Psychologen, die sich der Polizeiapparat leistete und die ihm allesamt ein Gräuel waren. Eine aufgeblasene Pfauenherde, besserwisserische Bleichgesichter, die nicht ihr Hobby, sondern ihre Probleme zu einem Beruf gemacht hatten. Außerdem fragte sich Eschenbach, ob es für all das nicht zu spät war. Er selbst hatte sich in den Mittelpunkt der Welt des Kleinen gerückt. Und wenn er es geschickt anstellte, würde es ihm vielleicht gelingen, sein Vertrauen zu gewinnen. Bis geklärt war, was es mit dem Sechseläuten-Fall auf sich hatte.
    Der Presse gegenüber hatten sie ein paar nichtssagende Erklärungen abgegeben. Abgesehen von der Kulisse des Sechseläutens, den Hunderten von Leuten, die dumm herumgestanden und sogar den bedächtigen von Matt auf die Palme gebracht hatten; es war das Übliche. Und wie immer, wenn ein Menschenleben verlorenging, gab es einige wenige Fakten und Fragen über Fragen.
    Trotzdem, der Kommissar fühlte sich fehl am Platz. Er war als Helfer aufgetreten, nicht als Ermittler. Hatte zugeschaut, eingegriffen und konnte es dennoch nicht richten. Jetzt musste er sich um den Jungen kümmern.
    Als sie zu dritt eine halbe Stunde später den Schauplatz verließen, war von den Menschenmassen nicht mehr viel zu sehen. Ein paar kleinere Gruppen Jugendliche trieben sich noch herum, als suchten sie die wenigen Abenteuer, die die heutige Gesellschaft ihnen noch ließ. Dazu kamen Liebespaare und Besoffene. Diejenigen, die noch nicht nach Hause wollten, und die, die es nicht mehr konnten.
    Mitten auf dem Platz war der mächtige Scheiterhaufen auf einen Glutfleck zusammengeschrumpft. Ein großes, rotes Auge starrte hinauf in den nächtlichen Himmel, und ein halber Mond stand schweigend über dem Üetliberg.

5
    W o zum Teufel ist der Junge?«
    Rosa hörte schlagartig auf zu schluchzen, so als hätte die Pausenglocke die Schulstunde beendet. »Um Gottes willen!«, stieß sie hervor. »Sie haben recht. Was heul ich hier rum … wir müssen nachsehen.« Rosa rutschte von der Tischkante, glättete mit beiden Händen die Falten ihres Rocks und verließ eilig Eschenbachs Büro.
    Der Kommissar folgte ihr. Natürlich war das Großraumbüro einer Polizeiabteilung kein Spielplatz, aber gefährlich, fand Eschenbach, war es auch nicht. Ein paar Karten von Zürich, die in Großformat an den Wänden hingen, Flip-Charts und Magnettafeln, viel Interessantes für Kinder gab es da nicht. Schließlich war der oberste Stock die Chefetage und kein Schießkeller.
    Der Wuschelkopf schoss auf keine Pinnwände. Er hantierte weder an der Kaffeemaschine noch an der Telefonanlage herum. Die einzigen Knöpfe, auf die er drückte, waren die von Rosas Computertastatur.
    »Ich hab ihn gefunden, stellen Sie sich vor …«, Rosa hielt den Bürostuhl fest, auf dem der Kleine kniete. »Er war die ganze Zeit über hier. Ach, bin ich froh … Es ist so ein lieber Junge. Ein anderer wäre vielleicht … Hätte dummes Zeug gemacht. Hier steht ja so viel rum in den Büros, und wer weiß …« Ihre Worte sprudelten, als wäre ein Staudamm gebrochen.
    Auf dem Bildschirm stand es drei zu null für Benjamin Blümchen.
    »Ich hab ein Patenkind in demselben Alter«, sagte Rosa. Ihre Wangen leuchteten wieder. »Deshalb kenne ich diese Internetseite. Und als Sie vorhin telefonierten … Also ich dachte, das lenkt ihn vielleicht etwas ab.«
    Eschenbachs Lächeln schlich sich langsam davon. Er hatte versucht, Salvisberg zu erreichen. Aber die Leute am Institut konnten ihn nicht finden. Der Gerichtspathologe hatte versprochen, sich zu melden, sobald er mehr wisse. Vielleicht gab es schon ein eindeutiges Resultat. Eines, das Eschenbach entlastete und das aufzeigte, dass kein Zusammenhang bestand zwischen ihm und dem Tod.
    »Haben Sie Salvisbergs Privatnummer?«
    Rosa, die sich inzwischen hingesetzt hatte, den Kleinen auf den Knien, sah ihn zweifelnd an. »Es ist halb zehn … Wollen Sie wirklich jetzt?«
    Eschenbach nickte. »Stellen Sie’s durch … ist vielleicht besser.« Der Kommissar war schon auf

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